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Bauherr wird
zum Erpresser

»Plötzlich habe ich rot gesehen«

Von Christian Althoff
Herford (WB). Seine Arme sind von Blutergüssen übersät, seine Knie aufgeschlagen -Ê Spuren eines SEK-Einsatzes, bei dem ein Kaufmann (54) aus Herford in der vergangenen Woche als Erpresser festgenommen worden war. »Ich wollte, ich könnte das Rad zurückdrehen«, sagt der Familienvater heute.
Der Herforder will unerkannt bleiben. Er zeigt seinen Haftbefehl, der gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt worden ist. Foto: Althoff

Ein neues Einfamilienhaus am Stadtrand von Herford. Auf dem Wohnzimmertisch blüht ein Strauß weißer Tulpen, im Garten stehen ein Sandkasten und eine Schaukel für die beiden Kinder. Lebt hier ein Schwerverbrecher? »Nein«, sagt der 54-Jährige. »Ich bin ein ganz normaler Familienvater. Allerdings einer, der eines Tages rot gesehen hat. . .«
Die Geschichte hatte 2000 begonnen. Damals hatten der Kaufmann und seine Frau einen Vertrag mit dem Herforder Bauträger »Wistra« geschlossen, der ihnen ihr Haus bauen sollte. »Doch schon nach drei Monaten tat sich auf der Baustelle nichts mehr -Ê obwohl wir die Gewerke im Voraus bezahlt hatten«, erinnert sich die Ehefrau. Täglich hätten sie im Büro von »Wistra«-Geschäftsführer Dirk S. gestanden, doch der habe sie mit immer neuen Ausreden vertröstet. »Zum Glück bewilligte uns die Sparkasse seinerzeit weitere 100 000 Mark, mit denen wir unser Haus in Eigenregie zu Ende bauen konnten«, sagt der 54-Jährige. Seine Vorauszahlungen an Dirk S. (»insgesamt 108 547 Mark«) habe er allerdings nicht wiedergesehen, »Wistra« war schließlich in Konkurs gegangen.
»Als ich jetzt in der Zeitung las, dass der Mann inzwischen Geschäftsführer einer neuen Baufirma ist und wieder Kunden über den Stillstand ihrer Baustellen klagen, sind bei mir die Sicherungen durchgebrannt. Immerhin belasten uns die Kosten für den zusätzlichen Kredit Monat für Monat, während der Mann im Wohlstand lebt«, erzählt der Herforder. Er heuerte einen 1,90 Meter großen Russen »zum Einschüchtern« an und fuhr am 23. Dezember ohne Wissen seiner Ehefrau zum Wohnhaus von Dirk S. nach Bünde, um 55 000 Euro einzutreiben. Der 54-Jährige war mit einer Skimütze maskiert, der Russe mit einer Pistole bewaffnet. »Wir trafen nur die Ehefrau an. Ich erzählte ihr meine Geschichte und brachte sie dazu, ihren Mann nach Hause zu locken«, erinnert sich der Herforder. Als Dirk S. (33) eintraf, zeigte er den Männern seinen leeren Tresor und versprach, das Geld bis zum 3. Januar zu besorgen. Die Übergabe fand allerdings nicht mehr statt - der Bauherr und der Russe wurden festgenommen.
»Natürlich war es falsch, was ich getan habe. Aber ich bin kein gemeiner Verbrecher, sondern einer von vielen Bauherren, die man an der Nase herumgeführt hat«, sagt der 54-Jährige. Seine große Sorge gilt jetzt seinen Kindern: »Ich hoffe, dass sie nicht in der Schule gehänselt werden und unter meiner Tat leiden müssen.«
Dirk S. sagte gestern, er könne sich den Überfall (»seit der Tat ist meine Frau in psychologischer Behandlung«) überhaupt nicht erklären: »Ich schulde dem Mann doch überhaupt kein Geld. . .«

Artikel vom 11.01.2005