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Justiz prüft anonyme Geburten

Verletzung der Unterhaltspflicht und Fälschung des Personenstands


Düsseldorf (dpa/WB). Sie gelten als bessere Alternative zu den »Babyklappen« und liegen voll im Trend: Anonyme Geburten. Die Mütter können in der Klinik unter ärztlicher Aufsicht sicher entbinden und verschwinden anschließend unerkannt und ohne ihren Namen hinterlassen zu haben. Die Kinder werden zur Adoption freigegeben.
»Eine Geburt ohne Angst«, verspricht das Johanna-Etienne-Krankenhaus in Neuss bei Düsseldorf - wie auch einige andere deutsche Kliniken. Sie wollen vor allem das Leben der ungewollten Babys retten. Doch nun überprüft die Staatsanwaltschaft diese Praxis. »Wir prüfen die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens«, sagt Behördensprecher Johannes Mocken. Die Ermittler haben zwei Straftatbestände im Visier: Die Verletzung der Unterhaltspflicht und die Fälschung des Personenstands. Der Argwohn der Ermittler richtet sich nicht nur gegen die Mütter, sondern auch gegen die Klinik-Mitarbeiter - sie könnten wegen Beihilfe oder sogar Anstiftung verfolgt werden.
Mit der Geburt eines Kindes sind die Eltern zum Unterhalt für den Säugling verpflichtet. Wer sich dem entzieht, kann bestraft werden - die Höchststrafe liegt bei drei Jahren Haft. Die Nichtanzeige einer Geburt beim Standesamt gilt strafrechtlich als Personenstandsfälschung. Dafür drohen eine Geldstrafe oder bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe.
Die rechtlichen Bedenken bestehen im Prinzip allerdings auch gegen die Babyklappen, die es in Ostwestfalen-Lippe in Paderborn, Detmold und Minden gibt. Auch bei Findelkindern in Babyklappen müsse versucht werden, die Eltern zu ermitteln, betont der Kölner Staatsanwalt Stephan Neuheuser. Nur so könne geklärt werden, ob die Eltern in einer absoluten wirtschaftlichen Notlage seien. Denn nur dann hätten sie sich in Sachen Unterhalt nicht strafbar gemacht.
Schätzungen zufolge werden jedes Jahr etwa 40 bis 50 Kinder in Deutschland ausgesetzt - etwas mehr als die Hälfte von ihnen ist bereits tot oder stirbt kurz darauf. Die Babyklappen hätten daran leider wenig geändert, kritisieren Experten vom Deutschen Kinderschutzbund und dem Sozialdienst katholischer Frauen, der mehr als 20 Babyklappen betreut.
Die Chance zur anonymen Geburt gilt als Ausweg. Der Kontakt zur Mutter bietet im Gegensatz zu den Klappen die Chance, den Frauen Hilfe anzubieten und für eine Zukunft mit ihrem Kind zu werben.

Artikel vom 10.01.2005