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Leitartikel
Levke und Felix getötet

Waren die Morde zu verhindern?


Von Wolfgang Schäffer
Das quälende Hoffen und Bangen der Eltern ist einer tief-traurigen Gewissheit gewichen. Felix ist tot. Ermordet. Vorher wurde der Junge vermutlich auch noch missbraucht. Als wäre das noch nicht schlimm genug, hat der Verbrecher die Leiche des Achtjährigen auch noch wie lästigen Abfall entsorgt. In einem mit Steinen beschwerten Müllsack lag das tote Kind auf dem Grund eines Wasserlaufs nur zehn Kilometer entfernt von Bremerhaven.
Ganz in der Nähe der Stadt also, in der der geständige Verbrecher, der zuvor bereits Missbrauch und Mord an Levke aus Cuxhaven zugegeben hatte, gemeinsam mit seiner zehnjährigen Tochter in einer Wohnung lebte. Seine zweite Tochter, eine Zweijährige, wohnt seit der Trennung bei ihrer Mutter.
Sprachlosigkeit und Entsetzen machen sich breit angesichts der Fakten: Ein Vater zweier Töchter hat gestanden, innerhalb von nur sechs Monaten zwei Kinder ermordet zu haben. Und anders als fast alle aus der Kriminalgeschichte bekannten Täter, vergreift sich dieser perverse Verbrecher sowohl an Mädchen als auch an Jungen. Dieser Tätertypus ist Neuland für die Ermittler - und lässt viele unaufgeklärte Sexualmorde an Kindern aus den vergangenen Jahren in einem neuen Licht erscheinen. Ist Marc Hoffmann ein Serien-Täter? Hat der 31-Jährige möglicherweise noch mehr Kinder getötet?
Noch viel entscheidender aber ist die Frage: Hätte man die schrecklichen Verbrechen nicht verhindern können? Bereits nach dem Geständnis des Mordes an Levke war bekannt geworden, dass der gebürtige Attendorner in seiner Heimatstadt Anfang der 90er Jahre auffällig geworden war. Nach einer versuchten Vergewaltigung gab es gar eine Verurteilung. Eigentlich Anlass genug, um die Gen-Informationen des Mannes in die DNA-Datenbank des Bundeskriminalamtes einzuspeisen. Das aber wurde nicht getan.
Damit hatte auch die Staatsanwaltschaft in Bremen einige Jahre später auf den ersten Blick keine Chance zu erkennen, dass Hoffmann durchaus kein unbeschriebenes Blatt ist. Hätten sie das gewusst, wäre vielleicht anders ermittelt worden, als Marc Hoffmann unter dem Verdacht stand, eine geistig behinderte 17-jährige in sein Auto gezerrt und gefesselt zu haben.
Immer wieder zeigt sich bei Sexualverbrechern, dass es sich um Wiederholungstäter handelt. Allein aus diesem Grund wäre es die Pflicht der Behörden in Siegen gewesen, die DNA-Datenbank mit Angaben über Hoffmann zu füttern. Aber auch die Bremer müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, nicht konsequent genug in der Vergangenheit des 31-Jährigen recherchiert zu haben. Hätten sie das getan, wäre nach dem Zwischenfall mit der 17-Jährigen die Tat in Attendorn auf den Tisch gekommen und Hoffmann wäre vermutlich erneut bestraft worden.
So aber fühlte er sich vielleicht sicher. So sicher, dass - mindestens - zwei Kinder sterben mussten.

Artikel vom 10.01.2005