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Eine Zukunft wird es nur mit
Touristen geben

Außenminister Fischer im Krisengebiet

Phuket (dpa). Als Joschka Fischer die kleine katholische Kirche im Stadtzentrum von Phuket betritt, ist er sichtlich mitgenommen. Der Außenminister hat eben einen Hubschrauberflug über die am stärksten verwüstete Region von Khao Lak hinter sich.

Fischer hat das völlig zerstörte »Sofitel Magic Lagoon Hotel« gesehen, in dem auch viele deutsche Thailand-Urlauber den Tod fanden, er hat im Schutzanzug Beamten des Bundeskriminalamtes in einem buddhistischen Tempel beim Versuch zugesehen, die entstellten Leichen zu identifizieren.
Hier in der Himmelfahrtkirche Phukets, einem hellen Gotteshaus im Kolonialstil, ist die Stimmung gefasst, unter den Einheimischen manchmal fast heiter. Und doch ist die Katastrophe allgegenwärtig. »Auch die Überlebenden sind gezeichnet, äußerlich wie innerlich, für den Rest ihres Lebens«, sagt Clemens Fabry, der Priester der deutschsprachigen Gemeinde in Bangkok.
Nur noch vereinzelt sind auf Phuket die Spuren des Schreckens zu sehen, doch zu spüren ist die Angst vor der Zukunft. Auch am Patong Beach, den es schlimm getroffen hat, ist nach den unermüdlichen Aufräumarbeiten schon wieder ein Stück Alltag zurückgekehrt. Nur die Touristen sind, bis auf ein paar Unentwegte, nicht mehr da. Go-Go-Bars am Strand dröhnen wieder um die Wette, und viele Dutzende von Mädchen werben um eine Hand voll Ausländer. In den Shops und Garküchen, die den Weg vom Flughafen zu den Badeorten säumen, brennt überall Licht, aber es gibt keine Gäste.
Während zwei Autostunden nördlich um Khao Lak noch mindestes 2000 Leichen auf ihre Bestattung warten, ist auch in Phuket City schon wieder so etwas wie Alltag eingekehrt. Aber auf dem Gelände der City Hall, das Fischer an diesem Nachmittag besucht, lasten Trauer und Verzweiflung wie ein Albdruck. Auf Stellwänden in der heißen Sonne sind Hunderte, vielleicht Tausende von privaten Vermisstenanzeigen angepinnt. Hier haben die Hilfsorganisationen, Konsulate und Botschaften der westlichen Länder ihre Informationsbüros. Hier werden Sterbeurkunden ausgestellt.
Doch jeden Tag kommen weniger Leute, um sich nach ihren Angehörigen zu erkundigen. Die Hoffnung sinkt von Tag zu Tag auch für das blonde deutsche Geschwisterpaar, das von einem der Fotos lächelt, für den 32-Jährigen, der seit Weihnachten vermisst ist, für die 48-Jährige mit ihrer Mutter. Deutsche, Schweden, Italiener, Polen: Eine endgültige Opferbilanz des Tsunamis wird es nie geben. Doch Wiederaufbau ist das Wort der Stunde. Das gilt auch für den Tourismus, sagt Fischer ausdrücklich. Und hier in Thailands Ferienzentren ist jedem klar: Eine Zukunft wird es nur mit den Touristen geben, nie ohne sie.
In der kleinen Himmelfahrts-Kirche gedenken Ausländer und Einheimische gemeinsam der Opfer. Es ist ein ökumenischer Gottesdienst, den ein katholischer thailändischer Bischof leitet.
Als Fischer am Abend nach Jakarta weiterfliegt, kann er in der Bordzeitschrift der Fluggesellschaft Silk Air eine Werbeseite des nun völlig zerstörten Hotels in Khao Lak bewundern. »Europäischer Luxus« wird da angepriesen. Jedenfalls weiß Fischer, dass die Frage nach der Beziehung zwischen der Ersten und der Dritten Welt nach der Tragödie in Asien ganz weit nach oben gerückt ist.

Artikel vom 10.01.2005