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»Dort verfehlt sich
der Mensch am Leben«

Meisners Worte oft verkürzt wiedergegeben



Zu den Äußerungen von Joachim Kardinal Meisner:
»Wo der Mensch sich nicht relativieren und eingrenzen lässt, dort vergreift er sich immer am Leben: zuerst Herodes, der die Kinder von Bethlehem umbringen ließ, dann unter anderem Hitler und Stalin, die Millionen Menschen vernichten ließen, und heute, in unserer Zeit, werden ungeborene Kinder millionenfach umgebracht.« An dieser, in den meisten Medien nur verkürzt wiedergegebenen Äußerung des Kölner Erzbischofs Joachim Meisner übte auch Paul Spiegel, der Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, scharfe Kritik. Daraufhin schrieb eine WESTFALEN-BLATT-Leserin aus Salzkotten an Spiegel - hier Auszüge:
Der Mord an Millionen Menschen unter Hitler ist so ungeheuerlich, dass Worte fehlen, das zu erklären, und Gedanken fehlen, das zu begreifen. Dies freilich gilt für jeden Mord an einem Menschen - und mithin auch für jeden Mord an einem ungeborenen, schutzlosen Kind.
Kann man Morde gegeneinander aufrechnen? Ist es schlimmer, Millionen Menschen umzubringen, oder relativiert sich das bei Hunderttausenden? Ist es schlimmer, einen Menschen seiner Religion oder Volkszugehörigkeit wegen umzubringen oder nur weil er jemandem gerade nicht »in den Kram« passt oder weil man sich alleingelassen fühlt oder in Not ist? Wo ist der Unterschied?
Gibt es etwas Schlimmeres, als dass eine Gesellschaft es zulässt, ungezählte Kinder im Mutterleib umzubringen, und das sogar auf Krankenschein? Erklären Sie es mir bitte, Herr Spiegel, denn si- cherlich haben Sie doch vor Ihrer Kritik an Kardinal Meisner darüber nachgedacht.
Und zum Schluss stelle ich mir die Frage: Was ist schlimmer: der Wahrheit verpflichtet zu sein und seine Meinung zu sagen oder lautstark, vorschnell oder sogar gedankenlos Kritik zu üben und andere Menschen damit unter Druck zu setzen?
Vielleicht ist es besser, man ist ein Mensch der leisen Töne und der Verständigung, des Nachfragens und des Verstehens. Vielleicht hätten gerade Sie den Kölner Erzbischof Kardinal Meisner verstehen und ihm zustimmen sollen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein besonnenes Jahr 2005.
EDITH JUNG
33154 Salzkotten

Artikel vom 15.01.2005