10.01.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Herr erhebt schwere Vorwürfe

Skisprung-Weltcup in Willingen: Siege für DSV-Adler und Janne Ahonen

Willingen (dpa). Überschattet vom Sturz und dem damit verbundenen WM-Aus von Alexander Herr haben sich die deutschen Skispringer beim Weltcup in Willingen in der Weltspitze zurückgemeldet.

Weil Herr mit einem Kreuzbandriss sechs Monate ausfällt, hielt sich der Jubel im DSV-Lager über den Erfolg im Teamspringen und den vierten Platz von Michael Uhrmann im Einzel jedoch in Grenzen. »Für das Team war der Sieg im Hinblick auf die WM sehr wichtig. Aber in Gedanken sind wir alle bei Alex«, meinte Uhrmann, der gestern nur knapp das Podest verpasste.
Vierschanzentournee-Sieger Janne Ahonen (Finnland) feierte vor 25 000 Fans seinen elften Saisonsieg und markierte im Finale mit 152 m einen Schanzenrekord. »Es ist wie ein Traum für mich«, sagte der Überflieger des Winters. Uhrmann kam auf 137 und 141 m und lag mit 266,4 Punkten nur knapp hinter dem drittplatzierten Andreas Küttel aus der Schweiz (267,5). »Der vierte Platz ist top, mit ein bisschen Glück hätte ich auf dem Podest gestanden«, so der Bayer.
Zuvor hatte der an Krücken humpelnde Herr schwere Vorwürfe gegen die Jury des Internationalen Skiverbandes FIS erhoben. »Erst zählt die Show, dann kommen die Springer. Es wird immer schlimmer. Der Wind war bei bei Geschwindigkeiten zwischen 2 und 11 Meter pro Sekunde nicht kalkulierbar, es war irregulär. Ich hatte nach dem Probedurchgang fest mit einer Absage gerechnet«, übte Herr nach seinem schweren Sturz heftige Kritik an der Durchführung des Mannschafts-Springens am Samstag.
Mit betretenen Mienen standen Uhrmann, Georg Späth und Maximilian Mechler bei der Siegerehrung auf dem obersten Treppchen. »Das war es nicht wert. Die Sache belastet uns ziemlich«, sagte Späth, der den ersten Saisonerfolg mit einem Satz auf 147 m perfekt gemacht hatte. Im Einzelspringen landete der Oberstdorfer nur bei 108,5 m und schied als 37. aus.
Für die Titelkämpfe Mitte Februar in Oberstdorf muss Bundestrainer Peter Rohwein nun nach einer Alternative für Herr suchen. »Er hat den Schwerpunkt verloren und hatte dadurch keine Chance«, stellte Rohwein mit Tränen in den Augen fest. Der Kritik seines Athleten wollte er sich jedoch nicht anschließen. »Die Bedingungen waren schwierig, aber zu keiner Zeit gefährlich«, sagte der Cheftrainer. FIS-Renndirektor Walter Hofer wies die Anschuldigungen zurück. »Es gab einen Konsens zwischen Jury und Trainern. Es war keine Frage der Sicherheit, sondern der Chancengleichheit. Wir haben keinen Springer bei zu viel Wind herunter gelassen«, so Hofer.
Dies sah Herr ganz anders. »Der Wettkampf hätte nicht durchgezogen werden müssen. Von den Zuschauern und vor den Fernsehgeräten wäre sicher keiner böse gewesen, wenn das Springen nicht stattgefunden hätte. Natürlich ist Skispringen eine Risikosportart, bei der man nicht immer alles im Griff hat, wenn man durch die Luft fliegt. Aber dafür gibt es eine Jury, von der man die Kompetenz erwartet, dass sie sagt, wir hören auf. Und zwar nicht erst, wenn etwas passiert ist«, sagte Herr, der sich trotz seiner Bedenken.
Vor einigen Jahren war der Mannschafts-Weltmeister von 2001 bei ähnlichen Bedingungen in Kuopio zu Fuß die Schanze herunter gekommen. Danach habe ihm das Image eines Angsthasen angehaftet. »Das wollte ich widerlegen«, begründete Herr seine Entscheidung, »leider hat es mich erwischt, das ist tragisch.«
Die niederschmetternde Diagnose erhielt er am Samstagabend nach einer Untersuchung im Krankenhaus in Korbach. Bereits vor sechs Jahren hatte sich der Schonacher das Kreuzband im linken Knie gerissen und dadurch die WM in Ramsau verpasst. »Dieses Mal trifft es mich noch härter, weil es ein Kindheitstraum war, einmal bei einer Heim-Weltmeisterschaft dabei zu sein«, bekannte der 26-Jährige.

Artikel vom 10.01.2005