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Im Wedding groß geworden

Bezirksvorsteher Siegfried Kienitz feiert Sonntag 70. Geburtstag

Von Ulrich Hohenhoff
Brackwede (WB). Vorbilder sind für ihn auch heute noch Konrad Adenauer, Willy Brandt und Max Schmeling. »Die hatten einfach menschliche Größe«, sagt Hermann Albert Erwin Siegfried Kienitz, von Freunden auch »Flipper« (wegen seiner früheren Leichtfüßigkeit als Schwergewichtler im Boxring) genannt. An diesem Sonntag feiert Brackwedes Bezirksvorsteher, dessen vier Vornamen und Spitzname nicht allen geläufig sind, seinen 70. Geburtstag, gibt ab 11 Uhr einen Empfang im Hotel »Büscher«.

Geboren wurde Siegfried Kienitz - »der Rufname ist im Pass unterstrichen« - in Schneidemühl in Pommern, verlebte dort die ersten Kindheitsjahre. Als er sechs war, zogen die Eltern mit ihm und seinem jüngeren Bruder Helmut nach Berlin um. »Groß geworden bin ich zwischen den Häusern im "roten" Wedding«. Weil die Cousine eine Fleischereikette betrieb, war der Familie klar: Der Junge wird Fleischer«, erzählt Kienitz. Nach der Lehre sollte er sein Wissen vervollkommnen, wechselte in die Fleisch-und Wurstwaren-Fabrik »Marten« nach Gütersloh. Mutter und Bruder, die in Berlin ausgebombt waren, kamen nach, der Vater war vermisst, kehrte nicht aus dem Krieg zurück.
Bei »Marten« schuftete Siegfried Kienitz für 1,45 DM Stundenlohn in den Kühlhallen und im Verkauf. Schon damals fiel seine rednerische Begabung auf. Anlässlich eines Firmenjubiläums nahm der junge Mann Chefs und Belegschaft in Versform »auf die Schippe«. Geldsorgen drückten die kleine Familie und als Siegfried Kienitz hörte, dass bei den Kammerich-Werken in Brackwede Leute gesucht wurden, bewarb er sich, wurde genommen.
Seit 1955 war er dann »auf Kammerich«, wie es im Volksmund hieß. »Für 1,90 DM Stundenlohn heuerte er als Hilfsarbeiter dort an, durchlief mehrere Abteilungen und bekam 1964 einen Meisterposten, ohne den üblichen Weg über Kolonnenführer und Vorarbeiter. »Mit 29 Jahren war ich der jüngste auf diesem Posten«, erinnert sich der 70-jährige. Die Meisterprüfung holte er nach, wurde dann Industriemeister, später Obermeister, leitete eine Abteilung mit mehr als 100 Mitarbeitern. »Ich war immer neugierig, habe Seminare und Lehrgänge besucht, wurde vom Betrieb systematisch gefördert«. Für sein Unternehmen absolvierte er viele Auslandseinsätze, war in Persien und England. Kienitz arbeitete zudem acht Jahre als Angestelltenvertreter im Betriebsrat, war die letzten fünf Jahre vor seinem Vorruhestand 1990 als Umweltbeauftragter tätig, erlebte aber auch den drastischen Stellenabbau in Brackwede mit. »1955 waren wir nur 2 000 Leute, jetzt sind es keine 300 mehr«.
In die Politik und speziell zur CDU kam er eher zufällig nach einem Grünkohlessen. »Bis 1982 war ich total unpolitisch, bin nie zur Wahl gegangen«. In seiner Partei machte er dann eine Blitzkarriere, war bis 1986 Stadtbezirksverbandsvorsitzender, trat 1989 bei der Kommunalwahl an, gewann und war von 1989 bis 1992 zum ersten Mal Bezirksvorsteher, dann Stellvertreter und seit 1999 wieder Bezirksvorsteher. Über Seminare der Kommunalpolitischen Vereinigung (KPV) bildete er sich weiter, gehörte später deren Vorstand und dem der Christlich-Demokratischen Arbeitnerschaft (CDA) an. Im Bielefelder Stadtrat engagierte er sich im Umwelt-und Stadtentwicklungsausschuss, gehörte als sachkundiger Bürger dem Kultur-und Sportausschuss an.
»Ehrlichkeit in der Politik« ist für Siegfried Kienitz oberstes Credo und «man soll nicht nur reden, sondern auch was realisieren. Schwer genug bei dem wenigen, was für die Stadtbezirke noch da ist«. Und deshalb ist Kienitz auch auf Konsens bedacht. »Es macht keinen Sinn, sich zu streiten«. Für Brackwede wünscht er sich eine Belebung des Zentrums, den Erhalt von Kindergärten und Sporteinrichtungen. Neben den politischen Ämtern engagiert sich Kienitz im Sozialverband und im Gefangenbeirat, ist im Brackweder Karnevalsverein tätig. Legendär dort seine Auftritt im »Männerballett«.
Mit seiner Frau Albertina (»Tina«, verheiratet seit 1958, zwei Kinder, zwei Enkel) hat er die halbe Welt gesehen, beide lieben Abenteuerreisen. Als aktiver Boxer (»linke Schlaghand«) erlebte der Freund des Sportes ebenso schöne Stunden wie als Langstrecken- und Marathonläufer. » Toll der 1. Berlin-Marathon 1990 durch das Brandenburger Tor und über den Potsdamer Platz«.

Artikel vom 08.01.2005