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Mit Hilfe auch Politik machen

Ungeachtet der allseits bekundeten Bescheidenheit - EU spielt mit

Von Dieter Ebeling
Brüssel (dpa). Geld ist reichlich da. Am Mittwoch kündigt Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) 500 Millionen Euro an. Gestern legt die EU-Kommission 450 zusätzliche Millionen Euro auf den Tisch der internationalen Krisenkonferenz in Jakarta. Australien bietet 576 Millionen Euro an.

Und bis zum kommenden Dienstag, wenn bei einer großen Geberkonferenz in Genf die Millionen zu Milliarden addiert und noch einmal öffentlich festgezurrt werden, dürften derartige Ankündigungen - wie auch bisher - stets mit der Beteuerung verbunden werden, dass es nicht darum gehe, wer am meisten gebe und wer übertrumpft werden könne.
Dafür, dass die EU in der internationalen Hilfs-Szene unübersehbar mitspielt, sorgt unter anderem Louis Michel. Der schwergewichtige belgische EU-Kommissar für Entwicklung war einer der ersten, der nach der Flutwellenkatastrophe die Parole »Dies ist kein Schönheitswettbewerb« ausgab. Noch in Jakarta, kurz bevor Kommissionspräsident José Manuel Barroso die Mittel aus dem EU-Etat und die nationalen Gelder zu 1,5 Milliarden Euro zusammenrechnete, ließ Michel wissen: »Geld ist in dieser Phase nicht das größte Problem.« Wichtiger sei es, das Geld richtig einzusetzen.
Aber natürlich weiß man bei der EU ebenso wie in den Hauptstädten rund um den Globus, dass Hilfsgelder nicht nur Menschen retten, sondern auch segensreiche politische Wirkungen haben können. Und ungeachtet der allseits bekundeten Bescheidenheit sorgen zumindest die internationalen Medien für einen ständigen Vergleich dessen, was die einzelnen Staaten für die Flutopfer ausgeben. So kündigte der britische Premier Tony Blair angesichts drängender Fragen der heimischen Presse vorsorglich »mehrere hundert Millionen Pfund« an, ohne bisher freilich Konkreteres zu verraten.
Wenn sich heute gleich drei deutsche Minister - Joschka Fischer (Außen), Heidemarie Wieczorek-Zeul (Entwicklung) und Ulla Schmidt (Gesundheit) - mit ihren EU-Kollegen in Brüssel wegen der Flutkatastrophe treffen, dann geht es auch wieder ums Geld: Beispielsweise um die finanzielle Unterstützung für den Aufbau eines Erdbeben-Frühwarnsystems in Asien oder um die Aufgabenteilung beim Wiederaufbau. Aber auch um die Frage, ob die Mechanismen, die die Union zur Hilfeleistung installiert hat, wirklich ausreichend sind. Und was etwa von einem »Katastrophen-Corps« von Hilfe-Experten zu halten ist, dessen Aufstellung (5000 Personen) die Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner ins Gespräch gebracht hat.
Ganz vergessen dürften die Minister trotz vornehmer Zurückhaltung dabei nicht, dass Südasien und Südostasien Regionen von allergrößter wirtschaftlicher Bedeutung für die EU sind. Indien, an der Südostküste schwer betroffen, gilt beispielsweise nicht nur der deutschen Regierung als potenziell zweitwichtigster Markt Asiens nach China.
Dass Noch-US-Außenminister Colin Powell in Indonesien, dem volkreichsten islamischen Staat der Erde, die US-Hilfe nicht ohne positive Resonanz als Teil des Zugehens der USA auf die islamische Welt präsentiert, ist in Brüssel ebenso registriert worden wie das Einlenken der USA in einem wichtigen Punkt: Nach dem Versuch, gemeinsam mit Indien, Australien und Japan die Hilfe selbst zu koordinieren, will Washington nun doch mit der UNO arbeiten.
Die Flutwelle hat nicht nur eine neue internationale Solidarität geschaffen. Sie könnte auch von geopolitischer Bedeutung sein. Dass Hilfe unzweifelhaft auch mit Politik zu tun haben kann, zeigt möglicherweise eine andere Katastrophe. Vor gut einem Jahr, am 26. Dezember 2003, wurde die Stadt Bam von einem Erdbeben zerstört. Fast 30 000 Menschen starben. Bam liegt in Iran. Die EU half mit 6,8 Millionen Euro.

Artikel vom 07.01.2005