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USA sehen Palästinenser-Wahl als Testlauf zur Demokratie

Präsidentschaftskandidat Mahmud Abbas gilt als »Mann Washingtons«

Von Hans Dahne
Washington (dpa). Für die Palästinenser geht es um alles oder nichts. US-Präsident George W. Bush will in seiner zweiten Amtszeit einen unabhängigen Palästinenserstaat und Finanzhilfe nur auf die Prioritätenliste setzen, wenn am kommenden Sonntag bei den ersten Wahlen in der Nach-Arafat-Ära ein Mann der Reformen, der Demokratie und ein Gegner des Terrors das Zepter übernimmt.
Der britische Premierminister Tony Blair (links) und der gesamte Westen unterstützen Mahmud Abbas (rechts) und den palästinensischen Außenminister Nabil Shaath (Mitte) bei ihrem Friedensbemühungen.

»Die Wahlen sind der Beginn eines Prozesses hin zur Herausbildung eines Staates«, sagt Bush. »Sie sind noch kein Zeichen dafür, dass Demokratie da ist«, sagte der Präsident.
Der »Mann Washingtons« ist nach allgemeiner Übereinstimmung in den US-Medien der moderate Präsidentschaftskandidat Mahmud Abbas. Die Regierung habe sich jedoch mit jeglicher Wahlunterstützung zurückgehalten, um dessen Sache in den Augen der Palästinenser nicht zu beschädigen.
Sollte Abbas als Sieger aus den Wahlen hervorgehen, dann liegt sein Arbeitsblatt aus Washington schon auf dem Tisch. Bush und der britische Premierminister Tony Blair haben bei einem Treffen im Dezember in Washington die Aufgabenstellung formuliert: Kampf gegen Terror und Korruption, Reform des politischen Systems, Demokratie und Transparenz in den Institutionen und Wiederbelebung der Wirtschaft.
»Es wird niemals Frieden geben, bis ein wahrhafter demokratischer Staat aus den Palästinensergebieten hervorgegangen ist«, sagt Bush. Diesen Staat hatte er den Palästinensern eigentlich schon für dieses Jahr in Aussicht gestellt, aber inzwischen bis auf das Ende seiner zweiten Amtszeit 2008/2009 verschoben. Dennoch bleibt Bush der erste US-Präsident, der im Juni 2002 erstmals öffentlich von einer Zwei-Staaten-Lösung im Nahen Osten sprach.
Kritiker fragten sich, ob der Präsident auch harte Forderungen an Israels Führer Ariel Scharon stellen werde, wenn die Palästinenser erst einmal ihr Haus in Ordnung gebracht hätten, heißt es im »Wall Street Journal«. Die »Washington Post« lästerte, dass die Regierung Teile ihrer Palästinenser-Politik bereits an Scharon als »Subunternehmer« weitergeleitet habe, um wieder Bewegung in den Friedensplan (Road Map) zu bringen.
Die Räumung der jüdischen Siedlungen im Gaza-Streifen und vier weiterer Siedlungen im Westjordanland habe Scharons Berater Dov Weissglass eng mit der designierten neuen Außenministerin Condoleezza Rice abgestimmt, berichteten US-Medien. Bush betrachte die Räumung als entscheidenden Test für die Zusammenarbeit zwischen Israel und den Palästinensern, schreibt das «Wall Street Journal«. Statt großer Pläne und Gipfel wolle Bush auf Zehenspitzen zurück in den Nahen Osten kommen. »Die Ansicht der Regierung ist, dass die Zeit nicht für einen Stoß in Richtung Frieden reif ist und man sich besser auf kleinere Anstrengungen konzentrieren sollte, die am Ende eine Grundlage für einen Friedensvertrag bilden könnten«, heißt es.
Diese Rückbesinnung der US-Regierung auf eine modifizierte Form des Planes »Gaza zuerst« hat auch aus Sicht von US-Kommentatoren Charme. »Wenn die Palästinenser zeigen, dass sie einen anständigen Staat aufbauen können, dann wird das die Israelis mehr davon überzeugen, mehr Land im Westjordanland aufzugeben oder Gebiete zu tauschen, als jede Erklärung von Präsident George W. Bush oder Hamas-Terror«, schreibt Thomas Friedman in der »New York Times«.
In einer Analyse des früheren Nahost-Koordinators Dennis Ross vor den Präsidentenwahlen am Sonntag heißt es, dass Abbas und die Reformer für kurze Zeit eine zweite Chance bekämen.

Artikel vom 06.01.2005