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Das Gleichnis vom Sankt Martin

Mehren und teilen: Woran die Wirtschafts- und Sozialpolitik krankt

Von Rolf Dressler
Bielefeld (WB). Elementares Fundament freiheitlich-demokratischer und marktwirtschaftlicher Gesellschaften sind Eigeninitiative, Selbsthilfe und gezielte Hilfe zur Selbsthilfe für diejenigen, denen objektiv aus existentieller Not und Bedrängnis herausgeholfen werden muss. Daran erinnert jetzt erneut die Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer e. V. in Berlin.

Zur Veranschaulichung erzählt sie die altbekannte Geschichte des römischen Offiziers Sankt Martin einmal aus einem anderen Blickwinkel. Als dieser einem hungernden und frierenden Bettler am Straßenrand begegnete, teilte er spontan seinen Mantel und reichte dem Bettler die eine Hälfte.
Was war das Ergebnis? Zwar gab es keinen Heiligen mehr, aber ganz gewiss auch keinen Bettler weniger. Denn dessen Armut und Not wurden zwar ein wenig gelindert, gänzlich überwunden wurden sie jedoch nicht.
Ein bildhafter Vergleich mit un- serem heutigen Sozialstaat: Er lindert Armut, konserviert sie aber auch, und neuerdings erzeugt er sie sogar mit seiner ausufernden Rundum-Umverteilung.
Zu dieser kritischen Einschätzung kommt die Bestandsaufnahme der Organisation selbständiger Unternehmer. Aus der Sackgasse mehr und mehr unbezahlbarer staatlicher Wohltaten führe nur ein Weg wirklich heraus: Die Ethik des Mehrens und des (Umver-)Teilens müssten endlich wieder klar auseinandergehalten werden in Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften:
- Die einander in vielem schlicht zuwiderlaufenden Wunschprinzipien des Mehrens und des Teilens dürften nur dort gelten, wohin sie tatsächlich gehörten.
- Märkte müssten diejenigen gebührend belohnen, die das Richtige zur richtigen Zeit in der richtigen Qualität für ihre Mitmenschen produzieren, also gleichsam das Brot aller vermehren.
- Es gehe nicht an, dass man ihre Erfolgsprämien, sprich: den ma- teriellen Ertrag ihrer Arbeit und ihres Erfindungsgeistes, aus Gründen der Gleichheit bzw. ideologischen Gleichmacherei unter staatlichem Zwang umverteile und im Gießkannenstil in alle Himmelsrichtungen immer neu verteile und das dann auch noch »sozial« nenne, heißt es in der Analyse der ASU. Und daran knüpft sie die Frage, wie denn wohl ein unternehmerisch tätiger Sankt Martin in unseren Tagen mit der Armut umgehen würde, und gibt sie auch gleich die Antwort:
Er würde eine Mantelfabrik gründen und dem Bettler eben- dort einen Arbeitsplatz verschaffen, so dass dieser fortan in der Lage wäre, sich einen Mantel selber zu kaufen, anstatt um Al- mosen betteln zu müssen. Genau das verkörpere die Ethik des fruchtbaren Mehrens -Êzum Vorteil und Nutzen jedes Einzelnen und der demokratisch-marktwirtschaftlich geprägten Gesellschaft im ganzen.
Im dritten und letzten Beitrag: Was wirklich sozial und gerecht ist - und: ein Kapitel Ludwig Erhard. (Der erste Beitrag erschien in der Ausgabe vom 5. Januar 2005).

Artikel vom 06.01.2005