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Leitartikel
Hilfswille kontra Kleinmut

Des Kanzlers
Lob tut vielen gut


Von Rolf Dressler
Mit dem Ruf zur Besinnung auf sich selbst hat es nach aller Men- schenerfahrung so seine ganz eigene Bewandtnis.
Das gilt offenbar besonders für das öffentliche Erschrecken im Angesicht verheerender Naturgewalten. Wie beispielsweise nach dem übermächtigen Tsunami, der riesige Landstriche an den Ufern des Indischen Ozeans heimsuchte und buchstäblich mit Mann und Maus auslöschte. Denn gerade auch jetzt wieder kann (oder will?) manch einer nicht heraus aus der Jacke des Kleinmuts und törichter Besserwisserei.
Dabei ist in all dem fassungslosen Erschrecken und der Trauer, die tief aus abermillionen Herzen kommt, nichts eher zu entbehren als das schrecklich befremdliche Herumkritteln und Her- umdeuteln. Zu viele Oberlehrer in Politik und Medien, Pseudo-Expertenschaft und Berufs-Kassandra-Stuben verbauen doch nur den Blick für das Gute, das in der überwältigenden, ja geradezu ansteckend wirkenden Hilfsbereitschaft für das südöstliche Asien unverfälscht zutage tritt.
Kaum einer der ungezählten stillen Helfer wie auch der »kleinen« und betuchten privaten Spender drängt ins Scheinwerferlicht, um sich seines Beitrages zur Linderung der unvorstellbaren Not zu rühmen.
Bemerkenswert unverkrampft und ungekünstelt tut der amtierende deutsche Bundeskanzler der Welt, also nicht einmal nur dem eigenen Volk kund, er sei »stolz« auf die »beispiellose Hilfsbereitschaft der Deutschen«.
Derart Ungewohntes lässt aufhorchen. Man hört es mit Überraschung und ist darüber umso mehr erfreut. Denn ähnliche Ermutigung hätten viele im Lande sich von ihren regierenden Häuptern gewiss auch schon in der jüngeren Vergangenheit bei diesem oder jenem geeigneten Anlass gewünscht - anstatt immer und immer wieder zeigefingernd zu allem Möglichen und Unmöglichen gemahnt zu werden und an- gestrengt die Leviten gelesen zu bekommen.
Katastrophen und unbeschreibliches menschliches Leid, wie scheinbar fern von hier sie sich auch zutragen, können sehr wohl auch uns neuen Daseinssinn stiften. Eines allerdings sollten wir her- ausspüren: Auch diesmal wieder ist es »nur« einer gütigen Fügung, einem gütigen Gott zu verdanken, dass wir von einem apokalyptischen Unheil wie dem in Südost-Asien verschont blieben. Einzig deshalb können Deutsche und andere Völker von si- cherem Hort aus gezielte praktische Hilfe vielfältiger Art leisten.
Eben dies spürt in seinem In- neren augenscheinlich auch Gerhard Schröder. Und mindestens genauso Horst Köhler, der noch amtsjunge Bundespräsident: Er bekannte in bewegend gelöster und anrührender Rede, dass er beten werde für die vielen Millionen Opfer des Tsunami-Infernos am Indischen Ozean.
Das müsste eigentlich all jene beschämen, die auch jetzt wieder so furchtbar genau wissen, was warum schief gelaufen ist. Vorher und nachher, nachher und vorher.

Artikel vom 08.01.2005