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Bielefeld ist die
Stadt der Fotografie

Reiches Potenzial und Tradition vorhanden

Von Uta Jostwerner (Text)
und Bernhard Pierel (Fotos)
Bielefeld (WB). Bielefeld, die Puddingstadt, die Leinenstadt. Bielefeld, die Stadt am Teutoburger Wald und die Stadt mit der größten diakonischen Einrichtung. Aber Bielefeld, die Stadt der Fotografie? Gibt's doch gar nicht. »Doch«, sagt Professor Dr. Gottfried Jäger: »Die Stadt hat im Laufe der vergangenen Jahrzehnte in Sachen Fotografie ein Potenzial angesammelt, das erstaunen macht.« Problem: Kaum jemand hat bislang Kenntnis davon genommen.

Schätze in Archiven wie privaten und öffentlichen Sammlungen dämmern im Dornröschenschlaf vor sich hin, Einzelaktionen sowie periodische Veranstaltungen versickern in Unkenntnis der Öffentlichkeit. Das Unsichtbare sichtbar machen, Verbindungen zwischen den Bereichen aufzeigen und Bielefeld als Stadt der Fotografie ins Bewusstsein bringen, ist das Anliegen von Gottfried Jäger. Der emeritierte Professor für Fotografie an der Fachhochschule Bielefeld hat nicht nur selbst im Laufe mehrerer Praxis- und Forschungsdekaden eine private Sammlung mit dem Schwerpunkt »Generative Fotografie« aufgebaut, sondern verweist auch auf weitere beachtliche Sammlungen im privaten und öffentlichen Besitz.
So habe die Kunsthalle durch Ankäufe in den vergangenen Jahren eine stattliche Sammlung mit Werken international geachteter Fotokünstler wie Jürgen Klauke, Sugimoto und Adam Fuss aufgebaut. Zudem sei sie im Besitz des kompletten Nachlasses von Carl Strüwe. Der Bielefelder Grafiker und Fotograf machte durch seine künstlerische Mikrofotografie und Reisefotografie in den 20er bis 50er Jahren von sich reden.
Das Historische Museum verwaltet den Nachlass der Fotografinnen Gisela Wölbing und Gertrud van Dyck. Er umfasst fotografische Geräte und Einrichtungen der beiden selbständigen Fotografinnen, die sich Mitte des 20. Jahrhunderts der handwerklich hochwertigen Gebrauchsfotografie widmeten. Historische Kameras und Fotogeräte befinden sich auch im Nachlass des ehemaligen Fotografen Lehmann. Zu schade, um auf Flohmärkten verhökert zu werden. Jäger steht derzeit in Gesprächen mit der Erbin, um gemeinsam zu überlegen, wie die wertvollen Zeugnisse der Fotografie erhalten und präsentiert werden könnten.
Neben der Fachhochschule, die über eine umfangreiche fotografische Sammlung mit Arbeiten von Lehrenden und Diplomanden verfügt, gibt es in Bielefeld mindestens zwei private Sammlungen von internationalem Rang.
Der Galerist und Ausstellungsmacher Lutz Teutloff arbeitet seit vielen Jahren am Aufbau einer Sammlung, die den menschlichen Körper (The Human Body) zum Schwerpunktthema erhoben hat. »Mein bevorzugtes Medium ist die zeitgenössische Fotografie, zu der im erweiterten Sinne auch Video und Installation gehören«, erklärt Teutloff. In hunderten von Werken gibt sich die Crème de la Crème der künstlerischen Fotografie ein Stelldichein.
Per Zufall ist Gottfried Jäger auf die »Windsor Collection« gestoßen, einer Sammlung des Bielefelder Bekleidungsherstellers mit zeitgenössischer internationaler Fotografie, die, so Jäger, »sehr ambitioniert gemacht ist« und serielle Arbeiten von unter anderem Helmut Newton, Terry Richardson und Sam Samore enthält. Daneben existiert die Gustav-Hülsmann-Sammlung mit ihrem Schwerpunkt auf Fotografie um 1930 mit rund 200 Glasnegativen.
Nicht zuletzt namhafte Galerien wie Baumgarte, Teutloff und David tragen mit fotobezogenen Themen dazu bei, Bielefeld als Fotostadt zu etablieren.
Last not least beleuchtet das Bielefelder Symposium über Fotografie und Medien seit nunmehr 25 Jahren die Theorie und Praxis der technischen Bildmedien und ihrer Geschichte. Daneben existiert als wiederkehrendes Highlight im Bielefelder Veranstaltungskalender die Jahrestagung der Fördergemeinschaft Fotografische Ausbildung (FFA), bei der Fachleute aus der Praxis ihre Erfahrungen in Vorträgen und Diskussionen an den Nachwuchs weitergeben.
Nicht mehr wegzudenken aus der Stadt ist die Fotografie im Kontext von Studium und Lehre, Forschung und Entwicklung. Bereits 1912, so hat Jäger in Erfahrung gebracht, existierte eine eigenständige Fotoklasse an der Meisterschule für das gestaltende Handwerk. Und an der Fachhochschule sorgt der Forschungsschwerpunkt Fotografie und Medien seit 1984 dafür, dass Bielefeld in Sachen Fotografie eine Spitzenposition einnimmt.
Alles zusammen könnte die »Bielefeld Photo Connection« ergeben, um mal mit Jäger im internationalen Jargon zu sprechen. Nicht auszudenken, welches Renommee der Stadt durch ein eigenes Fotografie-Museum erwachsen würde. Utopisch, werden die einen sagen. Visionen, sagen die anderen, sind der Anfang aller Errungenschaften.

Artikel vom 08.01.2005