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Deutschland schweigt und hilft: Spenden in Rekordhöhe

l Kanzler: »Weltweit einmalig« l Bertelsmann: 1 Million Euro - Oetker: 500 000 Euro

Berlin (dpa/Reuters). Mit Schweigeminuten haben Millionen Menschen gestern in Deutschland und ganz Europa der Opfer der Flutkatastrophe in Südasien gedacht. Bundesweit hielten um 12 Uhr viele Bürger für drei Minuten inne. In vielen Städten läuteten die Kirchenglocken. Kanzler Gerhard Schröder (SPD) dankte den Deutschen für ihre Spendenbereitschaft, die »einmalig in der Welt« sei.

In Berlin und anderen Großstädten standen Busse und Bahnen still. Auch in Ostwestfalen-Lippe hielten die Menschen inne. Manche falteten die Hände für ein stille Gebet. In Unternehmen wie etwa VW und Siemens, an der Frankfurter Börse und in Büros ruhte die Arbeit. Fernsehsender unterbrachen ihr Programm und schalteten Live-Bilder von Orten wie dem Hamburger Rathaus, vor dem Hunderte Menschen schweigend der mindestens 150 000 Toten - die UN befürchtet sogar bis zu 200 000 Tote - gedachten.
Deutschland und Australien haben gestern zusammen mehr als eine Milliarde Euro Hilfe zugesagt und stellten sich damit an die Spitze der Geberländer. Australien kündigte umgerechnet 576 Millionen Euro Hilfe für Indonesien an. Mit 500 Millionen Euro für die gesamte Region steht Deutschland an zweiter Stelle der Geberländer. Auch der britische Premierminister Tony Blair stellte mehrere hundert Millionen Pfund in Aussicht. Der Internationale Währungsfonds will mit 750 Millionen Euro helfen.
Die von Deutschland zugesagten 500 Millionen Euro übersteigen die Hilfe der USA (265 Mio. Euro) und Japans (378 Mio. Euro). »Es geht nicht um die Frage, wer ist erster bei der Hilfe«, betonte Kanzler Schröder. Die Mittel sollen in den nächsten drei bis fünf Jahren zur Verfügung gestellt werden.
Schröder dankte den Deutschen für ihre Spendenbereitschaft: »Die ganze deutsche Nation ist solidarisch.« Es seien bereits 150 Millionen Euro an Privat- und Firmenspenden eingegangen.
Gestern stellte auch der Medienkonzern Bertelsmann eine Million Euro zur Verfügung. Damit wollen die Gütersloher mindestens 250 Kindern, die durch die Flutkatastrophe zu Waisen geworden sind, die Schule und die Ausbildung finanzieren. Die Federführung sollen die SOS-Kinderdörfer übernehmen.
Der Bielefelder Lebensmittelkonzern Dr. Oetker spendet eine halbe Million Euro. Das Geld geht an die SOS-Kinderdörfer in Südindien. 1000 Familien, die Wohnung und berufliche Existenz verloren, sollen beim Aufbau ihrer Häuser und ihrer Lebensgrundlage - etwa einem Fischerboot - unterstützt werden. 10 000 Kindern wird außerdem bei der Suche nach ihren Eltern geholfen. Dabei werden sie versorgt und psychologisch betreut.
Die Zahl der vermissten Deutschen sank auf unter 1000. Der Präsident des Bundeskriminalamt, Jörg Ziercke, sagte gestern Abend im NDR: »Mittlerweile liegt die Liste bereits unter 1000. Wir haben also weitere Hoffnung, dass wir noch Überlebende finden.«
Entwarnung gab es für sieben bisher vermisste Ostwestfalen: Hans-Jürgen Kelch und Hans-Peter Lechleiter aus Espelkamp (Kreis Minden-Lübbecke) kehrten in der Nacht zu Mittwoch unversehrt aus Thailand zurück. Auch der Kalletaler Wolfgang Kamsties, seine Ehefrau Priyangika und die kleine Tochter Lana, die in Sri Lanka waren, sind gesund wieder daheim. Ein tagelang in Thailand nicht zu erreichendes Ehepaar aus Paderborn ist nach Informationen der Polizei wohlauf.

Artikel vom 06.01.2005