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Innehalten in stillem Gedenken

Schweigeminuten für die Opfer der Flutkatastrophe überall in der Stadt

Bielefeld (sas). Busse und Bahnen standen still, in einigen Betrieben ruhte die Arbeit: Zahlreiche Menschen gedachten gestern in Bielefeld mit Schweigeminuten der Opfer der Flutkatastrophe in Südostasien.

Der Bus der Linie 29 fährt die Haltestelle am Jahnplatz an. Es ist kurz vor 12 Uhr. Der Fahrer lässt seine Passagiere einsteigen - und stellt den Motor ab. Bis 12.03 Uhr wird sein Wagen die Haltebucht nicht verlassen. In dieser Zeit standen gestern bei der Stadtwerke-Tochter moBiel und der BVO alle Räder still.
Eigentlich hat es Jana Görlach eilig; die 25-Jährige hat ohnehin schon einen Bus verpasst. Angesichts der vielen, vielen Toten, angesichts der großen Not findet sie es aber gut, dass moBiel sich an der europaweiten Schweigeminute beteiligt. Über Lautsprecher sind die Fahrgäste zuvor darüber informiert worden. Auch Irina Semenova, die im Jahnplatztunnel auf ihre Stadtbahn zur Universität wartet, findet die Aktion gut: »Bei so etwas kann man doch nicht einfach gleichgültig bleiben.«
Gedacht wurde der vielen Toten und Obdachlosen auch in Bielefelder Unternehmen. So legten bei der Bielefelder Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft (BGW), bei SCHÜCO, Carolinenbrunnen und Miele die Mitarbeiter um genau 12 Uhr die Arbeit nieder und schwiegen. Bei Metallbau Deppe herrschte Stille in der Werkhalle, in der sonst die Maschinen surren und die Hammerschläge dröhnen. Mitinhaber Jürgen Deppe: »Wir sind selbst ein internationales Team. Unser ganzes Mitgefühl gehört den Angehörigen der Opfer.«
Im publikumsstarken Bereich der Stadt wie der Bibliothek am Jahnplatz und der Bürgerberatung folgten Mitarbeiter und Kunden dem Aufruf von Oberbürgermeister Eberhard David, drei Minuten lang der Opfer zu gedenken.
Auch wenn der eine oder andere weiter hastete, reagierten die meisten Bielefelder mit Anteilnahme. Sie waren eben nicht nur morgens beim Blick in die Tageszeitungen oder abends bei Fernsehsendungen über das Elend, das der Flutwelle folgte, betroffen, sondern hielten inmitten ihres Alltags inne. »Man erfährt wieder, dass nichts selbstverständlich ist: nicht die Luft zum Atmen, nicht das saubere Wasser, nicht die gefüllten Supermärkte«, meinte ein älterer Mann.

Artikel vom 06.01.2005