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Allein mit Umverteilen ist die
Zukunft nicht zu gewinnen

Der große Fehler der Wirtschafts- und Sozialpolitik in Deutschland

Von Rolf Dressler
Bielefeld (WB). Fundament einer freien Gesellschaft sind Eigeninitiative und Selbsthilfe. Die Ethik des Mehrens spornt Menschen nachhaltig dazu an. Hingegen lässt die heute weithin praktizierte Ethik des Teilens und Umverteilens - ausgerufen als angeblich höchste Form »sozialer Gerechtigkeit« des Wohlfahrtsstaates - die Antriebskräfte erlahmen und fruchtbare Wirtschaft stagnieren oder sogar zurückfallen im internationalen Leistungsvergleich.
Sicherlich beispielhaft: Bayernweit einmalig hat der Caritasverband in Bamberg einen Laden speziell für Leute eingerichtet, die am Existenzminimum leben. Der Verkauf erfolgt ohne Gewinn. Doch die Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer warnt auch, die Umverteilung zugunsten der »Schlechterverdienenden« sprenge alle vernünftigen Dimensionen und erreiche die wirklich Bedürftigen oft kaum mehr.
Genau darin sieht neben vielen anderen Sachkundigen auch die Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer (ASU) den »großen Fehler der Wirtschafts- und Sozialpolitik in Deutschland«. Es sei grundfalsch, das Teilen und Umverteilen, ja, das Gleichmachen als »soziale Gerechtigkeit« misszuverstehen und an die erste Stelle zu setzen. Vielmehr leiste die alles überwuchernde Formel vom gerechten Verteilen dem Sinken des Lebensstandards, dem Aufkommen bis dahin nicht gekannter Armut und Verteilungskämpfen Vorschub, während das zu verteilende Gesamteinkommen stetig kleiner werde.
Die nachdenkenswerte aktuelle Bestandsaufnahme der ASU nennt zur Veranschaulichung das Beispiel des Brotes: »Je mehr davon auf dem freien Markt hergestellt wird, desto mehr kann an die Menschen ausgegeben werden. Damit Brot aber überhaupt angeboten und zudem vermehrt werden kann, müssen Arbeitnehmer und Unternehmer gemäß einer Ethik handeln, die ihnen auferlegt, alle ihre Kraft zur Vermehrung des Brotes zu verwenden. Dafür werden sie dann mit entsprechenden Einkommen persönlich belohnt.«
Indes, wo die Ethik des Teilens und das Schlagwort von der vermeintlichen sozialen Gerechtigkeit vorherrschen, zerstören sie letztlich die Substanz dessen, wovon sie leben: Der Kapitalstock wird immer kleiner, Leistungsverweigerung, Versorgungs- und Anspruchsdenken greifen um sich, Gegenwartskonsum geht vor (Zukunfts-)
Investition, Schuldenmachen vor Sparen. Fleißige Bürger wandern ins Ausland ab, gehen in die Schattenwortschaft oder resignieren.
Kurzum, das überbordende, überspannte Umverteilen - zumal auf Kosten künftiger Generationen - ist in Wahrheit gar keine ethische Norm, sondern hat die Krise Deutschlands maßgeblich verursacht. »Auf eigenen Beinen zu stehen ist allemal menschenwürdiger als von fremder Hilfe abhängig zu sein«, heißt es in der Analyse der Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer.
Das zeige sich anschaulich daran, dass es mit dem Wohlstand und der persönlichen (Entscheidungs-)Freiheit des Einzelnen bis in die 1970er Jahre hinein fortwährend aufwärts ging, weil damals »die Ethik des Mehrens« im Bewusstsein der Menschen die Oberhand hatte.
Unser Sozialprodukt - also die Summe aller Produkte und Dienstleistungen - gleiche einem Teich mit regelmäßigem Zufluss, aus dem Wasser erst mit Löffeln, dann mit Eimern und schließlich mit großen Tanks entnommen wurde, obwohl sich der Zufluss ständig verringerte. Verteilt werden könne aber nur, was vorher erzeugt wurde. Und wo nachweislich zu viel umverteilt werde, gebe es schließlich nichts mehr zu verteilen, »weil der Zufluss versiegt«.
Der heutige Sozialstaat lindere zwar die Armut, konserviere sie aber zugleich - neuerdings vermehre er sie ungewollt, ja, er- zeuge sie sogar, weil »die Umverteilung zugunsten der 'Schlechterverdienenden' alle vernünftigen Dimensionen sprengt und die wirklich Bedürftigen oft gar nicht mehr erreicht«. Denn: Bereits ein Drittel des deutschen Bruttosozialproduktes wird umverteilt.
Im zweiten Beitrag: Die Geschichte vom Sankt Martin - einmal anders erzählt. Und worauf es jetzt wirklich ankommt.

Artikel vom 05.01.2005