06.01.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Stoiber will Schaden begrenzen

CDU-Klausurtagung: Glos erneuert seine Kritik an CDU-Chefin Merkel

Kreuth/Berlin (dpa). Trotz aller Appelle zur Geschlossenheit in der Union hat CSU-Landesgruppenchef Michael Glos die Diskussion um eine mögliche Kanzlerkandidatur von CDU-Chefin Angela Merkel erneut angeheizt. Führungsanspruch entstünde nicht nur dadurch, »dass man auf Parteitagen siegt, sondern man muss das immer wieder auch in den Wahlkämpfen beweisen«, sagte Glos gestern im Deutschlandfunk.
Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber und Landesgruppenchef Michael Glos setzten gestern die politischen Akzente zum Auftakt der traditionellen CSU-Klausurtagung in Wildbad Kreuth.

Die CDU reagierte verärgert. Bei der CSU-Klausur im oberbayerischen Wildbad Kreuth bemühte sich Parteichef Edmund Stoiber um Schadensbegrenzung.
Glos sieht in den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen ein Gradmesser für den Führungsanspruch Merkels. Sollten die Wahlen im Februar und Mai für die CDU desaströs ausgehen, werde es »natürlich« wieder Diskussionen geben, in welcher Aufstellung man die Bundestagswahl 2006 am besten gewinnen könne, erklärte Glos gestern im Deutschlandfunk.
In Kreuth meldete der Landesgruppenchef zudem einen Führungsanspruch der CSU innerhalb der Union an: »Wir sind als CSU nicht nur die Speerspitze, sondern ein bisschen auch der Motor der Union.«
CDU-Generalsekretär Volker Kauder wies die Äußerungen zurück. »Die Bürger erwarten von CDU und CSU weder Personaldebatten noch Diskussionen über internen Führungsanspruch«, erklärte er.
Edmund Stoiber beschwor trotz des Unmuts die Einheit der Union: »Nur gemeinsam sind wir stark.« Auseinandersetzungen wie im vergangenen Jahr würden sich »mit Sicherheit« nicht wiederholen, sagte er mit Blick auf den monatelangen Streit um die Gesundheitsreform.
Zugleich spielte Stoiber die Kritik an Merkel herunter. Niemand habe behauptet, Merkel sei nicht teamfähig, sagte er. Bei den Bemerkungen von CSU-Landesgruppenchef Michael Glos gehe es um »wohlmeinende Ratschläge, die man sich gegenseitig gibt, aber nicht um Kritik«.
Stoiber zeigte sich überzeugt, dass die CDU die beiden Landeswahlen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein gewinnt: »Das wird eine hervorragende Ouvertüre für die Bundestagswahl 2006 werden.«
Hintergrund für den Unmut in der CSU ist das ständige Absinken der Union in der Wählergunst. Im Laufe des vergangenen Jahres haben CDU/CSU gemeinsam in den Meinungsumfragen mehr als zehn Prozentpunkte eingebüßt. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa wurde versucht, die jüngsten Unstimmigkeiten in Telefonaten zwischen der Berliner CDU-Zentrale und der Führung der Landesgruppe auszuräumen.
In der CDU herrscht vor allem bei den im Wahlkampf stehenden Landesverbänden von Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen Unverständnis über die Aussagen von Glos und anderen CSU-Spitzenpolitikern wie Ex-Gesundheitsminister Horst Seehofer.
Seehofer hatte zuvor ebenfalls Merkel kritisiert, wollte seine Äußerungen aber in Kreuth nicht wiederholen. »Es ist alles gesagt«, meinte er nur.
Beim Schwerpunkt der Klausurtagung, der Europapolitik, deutet sich weiterer Konfliktstoff in der Landesgruppe an. Mindestens sieben CSU-Abgeordneten lehnen eine Zustimmung zur EU-Verfassung ab. CSU-Chef Edmund Stoiber pochte in Kreuth auf mehr Mitspracherechte des Bundestags in Europafragen. Er bekräftigte seine Forderung, entsprechende Klauseln im Zusammenhang mit der Verankerung der EU-Verfassung in das deutsche Recht gesetzlich festzuschreiben.
Über ihre Position zur EU-Verfassung will die Landesgruppe heute beraten. Stoiber bewertete die Ablehnung einiger Abgeordneter als nicht problematisch. Es gebe dennoch eine »sehr sehr große Mehrheit«, sagte der bayerische Ministerpräsident.
Heute wird auch der Vorsitzende der französischen Regierungspartei, Nicolas Sarkozy, in Kreuth erwartet. Mit der Union verbindet Sarkozy die Ablehnung einer Vollmitgliedschaft der Türkei in der Union.

Artikel vom 06.01.2005