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Heute um 12 Uhr soll ganz Europa schweigen

l UN: Mindestens 200 000 Tote l Sonntag Trauergottesdienst in Berlin

Berlin (dpa). Zum Gedenken an die Opfer der Flutwellen in Asien haben Städte, Politiker und Verbände die deutsche Bevölkerung aufgerufen, sich heute um 12 Uhr an drei europaweiten Schweigeminuten zu beteiligen.

Die Vereinten Nationen schätzen, dass mehr als 200 000 Menschen ums Leben gekommen sind. Vor allem im Norden Sumatras sei die Lage unübersehbar, berichtete der UN-Koordinator für humanitäre Hilfe, Jan Egeland, in New York. Einsatzkräfte im Krisengebiet forderten neue Leichensäcke an. »Wir brauchen dringend einige tausend mehr«, sagte ein Helfer dem privaten Radiosender El Shinta. Alle großen deutschen Fernseh- und Radiokanäle wollen heute um 12 Uhr ebenfalls drei Gedenkminuten einlegen. Auf sämtlichen ARD-Hörfunkkanälen würden die laufenden Sendungen unterbrochen und »getragene Musik« gespielt. Auch mit einem ökumenischen Trauergottesdienst im Berliner Dom soll am Sonntag der Opfer gedacht werden.
Beim Polizeipräsidium Bielefeld und den sechs Kreispolizeibehörden in Ostwestfalen-Lippe sind bis gestern 15 Vermisstenanzeigen erstattet worden. Einige Fälle betreffen Personen aus anderen Bundesländern, in anderen Fällen haben sich die Vermissten bereits gemeldet. In Bielefeld sind von zwölf Anzeigen, die 19 Personen betrafen, noch drei Fälle offen. Es handelt sich um einen Bielefelder (60) und seinen 54-jährigen thailändischen Freund, der schon mehrfach in Bielefeld wohnte. Ferner wird ein 61 Jahre alter »Weltenbummler« aus Bielefeld vermisst. Bei den Kreispolizeibehörden Gütersloh, Lippe und Herford gibt es je eine Anzeige.
Neun Tage nach der Naturkatastrophe sank die Zahl der vermissten Deutschen erstmals leicht. Die Gesamtzahl liegt aber immer noch bei mehr als 1000. »Es besteht leider kein Anlass zur Entwarnung«, sagte der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Klaus Scharioth, gestern. Die Zahl der identifizierten deutschen Toten bezifferte er weiter mit 60, die der Verletzten mit 300. Bisher seien 130 Verletzte aus den Krisengebieten ausgeflogen worden. Die Leichen-Identifizierungsteams aus Deutschland wurden weiter verstärkt.
Verteidigungsminister Peter Struck kündigte einen längerfristigen Einsatz der Bundeswehr in Asien an. Der erste Teil der Soforthilfe sei geleistet, sagte er auf dem Flughafen Köln/Bonn, wo zum dritten Mal der »MedEvac«-Airbus der Luftwaffe mit Verletzten eingetroffen war. Eine neue Anforderung des »MedEvac« lag zunächst nicht vor. Die Suche nach deutschen Verletzten war weitgehend beendet.
Für den Wiederaufbau der verwüsteten Regionen will die Bundesregierung ihre Finanzhilfe auf bis zu 500 Millionen Euro aufstocken. Damit stünde Deutschland bei den Finanzzusagen weltweit an der Spitze. Unklar war zunächst, wie die Regierung das Geld aufbringen wird und für welchen Zeitraum. Zur Finanzierung müssen voraussichtlich alle Ressorts Umschichtungen in ihren Etats vornehmen. Über das Hilfspaket will das Kabinett heute entscheiden, verlautete aus Regierungskreisen.
Die privaten Spenden schnellten unterdessen auf mehr als 108 Millionen Euro hoch. Formel 1-Weltmeister Michael Schumacher stellte gestern abend 10 Millionen Euro aus eigener Tasche zur Verfügung. Das gab sein Manager Willi Weber während der ZDF-Spendengala »Wir wollen helfen: Ein Herz für Kinder« bekannt. Auch die Deutsche Bank gab 10 Millionen Euro. Insgesamt gingen beim ZDF bis 23 Uhr mehr als 38,5 Millionen Euro ein.

Artikel vom 05.01.2005