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Musik & Kunst gegen das Vergessen

Neue Reihe zur Rezeption der NS-Verbrechen im Café Parlando

Bielefeld (WB/uj). Auch 60 Jahre nach dem Ende des Holocaust, nach der Vernichtung von Juden, Homosexuellen, Roma und Sinti, Behinderten, politischen Gegnern und anderen gesellschaftlichen Randgruppen durch das nationalsozialistische Regime in Deutschland herrscht in weiten Teilen der Bevölkerung ein Klima des Verdrängens und Vergessens.

Das Café Parlando will mit der umfassenden Veranstaltungsreihe »Gegen das Vergessen« dazu beitragen, dass 60 Jahre nach dem Holocaust das Vergessen der Verbrechen und der Unmenschlichkeit nicht weiter fortschreitet. Durch den zunehmenden Rassismus in der Gesellschaft gewinnt die Reihe an Aktualität.
»Madonna 1943« nennt der Meller Künstler Dieter Pentzek seine Radierung, die den Schmerz der göttlichen Mutter um ihr ermordetes Kind mit den Tränen einer Mutter unserer Zeit vergleicht. Seine Grafik bezieht sich auf das Bild »Die Perlen« des 1944 im KZ in Auschwitz ermordeten Osnabrücker Malers Felix Nussbaum. Die Vernissage der Ausstellung »Madonna« am 17. Januar, 20 Uhr, wird mit einem Vortrag der Kunsthistorikerin Roswitha Pentzek eingeleitet und mit der Aufführung »Empört euch ich bin« fortgeführt. Ausgehend von Bildern des ermordeten Künstlers wurde ein Programm zusammengestellt, das Musikcollagen, poetische Texte, autobiografische Notizen und Liedtexte von Nussbaums jüdischen Zeitgenossen zu einer Hommage verbindet. Mitwirkende sind Susanne Hill (Violine), Günter Gall (Gesang und Gitarre) und Klaus Thomas Schnittger (Texte).
Mit einem Klezmer-Konzert der Bielefelder Band »Chwazke« wird die Reihe am Samstag, 22. Januar, fortgesetzt. »Chwazke« ist jiddisch und heißt soviel wie »witzig«, »geistvoll«. Das Programm besteht aus jiddischen Liedern aus Osteuropa und traditionellen Melodien mit Elementen des Jazz und Swing. »Chwazke«, das sind der Klarinettist Lothar Henkenjohann, der Bassist Jürgen Wiese und Eckard Siegmund mit Gitarre und Bass. Der besinnliche Abend mit »Harz un mit Gefil« beginnt um 21 Uhr.
Unter dem Motto »Lob der Verzweiflung« steht am Montag, 24. Januar, ein szenischer Liederabend nach Texten von Theodor Kramer, der 1939 als Sozialist und Jude ins englische Exil gehen musste. Die Berliner Künstler David Fuhr und Harald Hahn haben zwei Dutzend seiner mehr als 12 000 Gedichte vertont und inszeniert. Herausgekommen ist das Kramer-Projekt, ein trunken-melancholisches, übersprudelnd-sehnsüchtiges Programm zwischen Liederabend, Theater und Clownerie über Verfolgung, Exil, Widerstand und das pralle Leben. Beginn: 20 Uhr.
In der Veranstaltung am Mittwoch, 26. Januar, wird Celine van der Hoek-de-Vries (84), Überlebende des Konzentrationslagers Auschwitz, ihre Geschichte erzählen. Beginn: 19 Uhr.
Die Reihe endet am Montag, 31. Januar, mit einer Informationsveranstaltung über das Collegium Humanum, ein extrem rechtes Seminarhaus in Vlotho. Seit mehr als einem Jahr gruppiert sich um die Leiterin des Hauses, Ursula Haverbeck, und um Horst Mahler ein Netzwerk internationaler Holocaust-Leugner. Am 17. Oktober 2003 protestierten Antifaschisten mit einer symbolischen Blockade vor dem Collegium Humanum gegen die Verbreitung von Antisemitismus. Es wird darum gebeten, zu sämtlichen Veranstaltungen unter der Telefonnummer 12 27 00 rechtzeitig Plätze zu reservieren.

Artikel vom 13.01.2005