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Korallenriffe
bremsen Tsunami

Wildtiere haben Beben überlebt

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Die Auswirkungen von Seebeben wie in Südostasien lassen sich durch Naturschutz mildern. »Wo es starke Mangrovengürtel und intakte Korallenriffe gab, wurde die Stärke der Flutwelle gebremst«, sagte Roland Melisch vom WWF am Donnerstag dieser Zeitung.
Java-Nashörner sind sehr selten geworden. Ende des 19. Jahrhunderts dezimierte der Ausbruch des Vulkans Krakatau den Bestand. Foto: dpa

Melisch leitet die Abteilung Biodiversität und Artenschutz des World Wildlife Fund in Frankfurt und ist der Südostasien-Experte der Organisation. Weil Mangrovenwälder und Korallenriffe wie ein Puffer wirkten, müssten sie erhalten werden, mahnt Melisch. Leider sei in Südostasien ein »dramatischer Rückgang an Mangroven« zu beobachten, weil das Naturprodukt als Brennholz genutzt werde. Bei den Korallenriffen sehe es nicht viel besser aus: Sie seien als Steinbrüche ausgebeutet worden, um Straßen zu bauen und Häuserfundamente zu legen. Erst der Tourismus habe den Raubbau gestoppt. Melisch erklärte: »Welcher Taucher möchte schon in zerstörten Korallenriffen schwimmen?«
Allerdings vergehe viel Zeit, bis sich Korallenriffe von den Eingriffen erholt haben. »Korallen wachsen sehr langsam, höchstens einen Zentimeter im Jahr«, erläuterte Melisch und rechnete vor: »Ein großes Riff braucht 100 Jahre.« Als »Kinderstube für Fische« seien sie unverzichtbar und als Wellenpuffer nützlich. Wie viele Tiere bei dem Erdbeben mit Flutwelle ums Leben gekommen sind, sei schwer einzuschätzen. Allerdings dürften die Schäden bei den wild lebenden Tieren eher gering ausgefallen sein. Der WWF-Experte: »Tiger, Leoparden und Elefanten können schwimmen; die Affenarten leben in den Bäumen, die die Flutwelle gut ausgehalten haben.«
Zudem gebe es in den betroffenen Krisengebieten vergleichsweise wenige Reservate und Tierparks. Die Tiere in Yala, dem größten Naturreservat Sri Lankas, haben nach Angaben von Beobachtern die Flutkatastrophe größtenteils überlebt. Kadaver seien bislang nicht entdeckt worden. Im Nationalpark Yala leben unter anderem 200 Elefanten und Leoparden. Auch die meisten Tiere außerhalb des Parks hätten sich rechtzeitig in höher gelegene Landstriche zurückgezogen.
In erster Linie habe das Wasser die eingepferchten Nutztiere wie Kühe und Schweine getötet, betonte Roland Melisch. Er erinnerte an den Ausbruch des Vulkans Krakatau zwischen Java und Sumatra am 26. August 1883. Das Naturereignis habe eine verheerende Flutwelle ausgelöst, die die Population des Java-Nashorns dramatisch dezimierte. »Heute gibt es nur noch 60 Tiere im Westen Javas - sollte der Vulkan erneut ausbrechen, droht die Art auszusterben«, erklärte Melisch, der sich wiederholt in Südostasien aufhielt und dabei auch ein Erdbeben erlebte.
Auf Erschütterungen des Bodens reagierten Tiere »sensitiver als der Mensch«. Ihnen sei die Nervosität sofort anzusehen. Stehe ein Beben bevor, würden Hunde beispielsweise zu jaulen beginnen und den Schwanz einziehen. Affen gäben hektische, merkwürdige Laute von sich. Tiere kletterten auf Bäume oder flüchteten wild in eine Richtung.

Artikel vom 31.12.2004