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Bereitschaft zu Spenden weltweit überwältigend

l 130 000 Tote l Vier Ostwestfalen vermisst l Seuchen drohen

Jakarta/Berlin (dpa). Ungeachtet der weltweiten Hilfe für die Flutopfer in Südasien steigt die Zahl der Toten immer weiter. Die Gesamtopferzahl der Katastrophe betrug nach Angaben der Regierungen und Gesundheitsbehörden der betroffenen Staaten am Donnerstag nahezu 130 000.
In der indischen Stadt Ahmedabad zünden die Menschen zu Gedenken an die Toten der Flutkatastrophe Kerzen an. Foto: Reuters

Die größten Zerstörungen entstanden in der indonesischen Provinz Aceh. Nach offiziellen Angaben starben allein in Indonesien 80 000 Menschen. Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge wurden etwa fünf Millionen Menschen obdachlos.
Die Vereinten Nationen sprachen von einer »außerordentlich großen Hilfsbereitschaft« weltweit. Beim Deutschen Roten Kreuz gingen in den ersten zwei Tagen 3,4 Millionen Euro Spenden ein.
Die Zahl der nach der Flutkatastrophe in Südostasien vermissten deutschen Touristen ist nach Angaben des Auswärtigen Amtes auf über 1000 gestiegen. Bisher seien 33 deutsche Todesopfer identifiziert worden, davon 26 in Thailand und sieben in Sri Lanka, sagte Staatssekretär Klaus Scharioth am Donnerstag in Berlin. Auch 260 verletzte Deutsche seien registriert. Darunter seien einige sehr schwer verletzt, auch Kinder.
Mindestens drei Menschen aus Nordrhein-Westfalen haben bei der Flutkatastrophe ihr Leben verloren, 28 werden vermisst. In Ostwestfalen-Lippe liegen vier Vermisstenanzeigen vor - drei bei der Polizei in Bielefeld, die vierte betrifft einen 64-jährigen Mann aus Enger (Kreis Herford). Gesund zurückgekehrt aus Sri Lanka ist dagegen Brigitte Danielmeyer (35) aus Enger-Herringhausen. NRW-Innenminister Fritz Behrens hat angeordnet, die Trauerbeflaggung an den öffentlichen Gebäuden bis zum 3. Januar zu verlängern.
Das Auswärtige Amt bemüht sich, möglichst viele der Getöteten nach Deutschland zurückzubringen. Bundesinnenminister Otto Schily hat die Angehörigen von deutschen Erdbebenopfern dazu aufgerufen, bei ihren Polizeidienststellen Vermisstenanzeigen aufzugeben. Verteidigungsminister Peter Struck hat das Versorgungsschiff Berlin, das derzeit im Golf von Oman operiert, ins Katastrophengebiet geschickt. Das Schiff kann zahlreiche Verletzte versorgen.
Die Soldaten des ABC-Abwehrbataillons 7 aus Höxter stellen sich darauf ein, zur Wasseraufbereitung nach Südostasien entsandt zu werden. »Wir haben derzeit keinen konkreten Auftrag«, sagte am Donnerstag Oberstleutnant Roloeff Billmann. Die Verlegebereitschaft werde jedoch ab Montag von gegenwärtig sechs auf drei Tage verringert.
Hunderttausende Überlebende sind nach Einschätzung der Gesundheitsbehörden im Katastrophengebiet von Krankheiten bedroht. Zehntausende weitere Helfer würden benötigt, um die Seuchengefahr wegen der verwesenden Leichen einzudämmen.
Die Rettung der deutschen Touristen von Sri Lanka ist vier Tage nach der Flutkatastrophe abgeschlossen. »Jeder ausreisewillige Deutsche ist ausgeflogen worden«, sagte der deutsche Botschafter Jürgen Weerth. 600 Bürger der EU werden seit der Flutkatastrophe allein auf Sri Lanka noch vermisst.
Mit 53 Verletzten der Flutkatastrophe an Bord wurde der Lazarett-Airbus »MedEvac« der Bundeswehr am Donnerstagabend in Deutschland zurück erwartet. Während des Fluges von Phuket kümmerten sich Notfallmediziner um die Verletzten, die nicht nur aus Deutschland kommen. Geplant ist, dass die »fliegende Intensiv-Station« bereits am Silvestermorgen wieder in das Katastrophengebiet zurück fliegt.
Im thailändischen Luxushotel »Magic Lagoon« bei Khao Lak wurden weitere 21 Gäste lebend gefunden. Damit seien mindestens 206 der 415 zumeist deutschen Urlauber am Leben, teilte der Hotelkonzern Accor in Paris mit.
Nach der Flutkatastrophe verzeichnen die deutschen Hilfsorganisationen eine überwältigende Spendenbereitschaft. »Mir fehlen ehrlich gesagt die Worte«, sagte Lübbo Roewer vom Deutschen Roten Kreuz am Donnerstag. Schon in den ersten zwei Tagen gingen beim DRK 3,4 Millionen Euro ein. Ähnliche Erfahrungen machten die anderen Hilfswerke. Der Spendenfluss müsse aber weiter steigen, weil der Hilfebedarf so unvorstellbar sei wie das Ausmaß der Katastrophe, sagten Sprecher.
Bundespräsident Horst Köhler hat die Deutschen zu Spenden aufgerufen. Wie zuvor Bundeskanzler Gerhard Schröder forderte auch Köhler einen Schuldenerlass für die betroffenen Nationen.
Die Entwicklungshilfeminister der EU kommen am 7. Januar zu einem Sondertreffen in Brüssel zusammen.

Artikel vom 31.12.2004