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Blondes Sonderangebot
oder die große Liebe?

Theaterpremiere um Hysterie  im Supermarkt der Gefühle

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Im Supermarkt werden Träume wahr. Oder auch nicht. Zwischen Ketchup und Senf, Seife und Nussnougatbrotaufstrich gibt es Selbstzweifel, Depression, Gefühlsleere, Versagen, Beziehungswahn und Ängste. Das Leben lässt sich nicht umtauschen, jede verpasste Gelegenheit wird von der »LifeCard« abgebucht. Das Mobile Theater hatte am Silvesterabend Premiere mit »Hysterikon«, dem Erfolgsstück von Ingrid Lausund.

Der allwissende Kassierer (Peter Krudup) rechnet schonungslos ab mit denen, die sich zwischen Tiefkühltruhe und Zeitschriftenregal mit ihren Einkaufswagen drängeln: »Wieviel haben Sie noch auf Ihrem Konto? Reicht es noch für die große Liebe oder besser doch das blonde Sonderangebot? Wieviele Schecks haben sie unterschrieben mit 'Ich liebe dich' und wieviele waren davon gedeckt?«
Da ist das Yuppie-Pärchen, das mal eben was für den Abend einkaufen will und das sich dann in einem Albtraum wieder findet, da ist die Öko-Tante im Selbstgestrickten mit der Jutetasche, die versucht, die Welt zu retten, das Mädchen, das das Gefühl hat, irgendetwas muss sich ändern (»Irgendwas heißt: mein Leben«), da ist die Frau, die in der Tiefkühltruhe ihre (Liebes-)Dienste anbietet und brutal als Schnäppchen zum reduzierten Preis ausgezeichnet wird, da ist der alte Mann, der immer das Gefühl hatte, ein falsches Leben gelebt zu haben und daraus den Ausgang in sein »richtiges Leben« sucht, aber stattdessen - Exitus (»Ach, so einfach geht das?«) Der Kassierer preist eine Kaffeekanne in höchsten Tönen an, die genau so aussieht wie die Exemplare zu 39,90: »Ein komprimierter Ferrari, 990 000 Euro - daraus den Kaffee zu trinken - einmalig!« Selbst der Einkauf für den Mord am Chef (Klebeband, Eisenstange) ist Alltag im Supermarkt.
Unter der Regie von Albrecht Stoll agieren auf der Bühne neben Peter Krudup, dem Kassierer des Lebens, Ilona Maaß, Violeta Gomez, Andreas Thiemann, Ulrike Kleinehagenbrock, Jürgen Hoffmann und Klaus Böcker in teilweise unterschiedlichen Rollen - mal hysterisch, mal heißhungrig, mal neugierig, mal wie jemand, der eh schon alles gesehen hat. Stoll macht die Musik zum Stück, originelle Einfälle (wie die »Rotlicht-Tiefkühltruhe«) lassen keine Sekunde Langeweile aufkommen.
»Hysterikon« geht so zu Ende wie es angefangen hat: mit einem »Einkaufswagen-Ballett« zu »Shopping in the rain«. Manch' ein Käufer hat sich zwar verwandelt (Klaus Böcker in ein Engelchen), aber letztendlich ist alles so geblieben wie es war im Supermarkt zwischen Bückware und Beziehungskiste.
Die weiteren Aufführungstermine: 7., 8., 14., 15., 21., 22., 28., 29. Januar, 4. und 5. , 18. und 19. Februar. Kartentelefon 0521/122170.

Artikel vom 03.01.2005