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zu spät - zehn Euro Strafe

Eltern sollen Kinder pünktlich holen

Langgöns (dpa). In den Kindergärten der mittelhessischen Gemeinde Langgöns sollen künftig Eltern erzogen werden - zur Pünktlichkeit. Wer seinen Sprössling zu spät abholt, muss vom 1. Januar an tief in die Tasche greifen.

Für jede angefangene Viertelstunde sind dann zehn Euro fällig. »Wir sehen das als pädagogisches Mittel für Eltern, die notorisch die Öffnungszeiten überziehen«, verteidigt Bürgermeister Horst Röhrig (SPD) die umstrittene Verspätungsgebühr. Bei Elternverbänden und Jugendämtern stößt das Vorhaben bundesweit auf Ungläubigkeit und Empörung.
Für den Rathauschef der 12 000-Einwohner-Gemeinde ist die Sache klar: Mütter und Väter, die verspätet im Kindergarten auftauchen, zwingen die Erzieherinnen zu Überstunden und liegen damit den Steuerzahlern auf der Tasche. Eigentlich sollte die Zusatzgebühr in den sechs Kindergärten in Langgöns schon seit dem Sommer kassiert werden. Doch nach einem Proteststurm der Eltern wurde sie bis Ende 2004 ausgesetzt, wie der Bürgermeister berichtet. Lediglich die Namen der Zu-Spät-Kommer seien bisher aufgeschrieben worden, aber nun solle die eigens geänderte - und vom Gemeindeparlament einstimmig gebilligte - Kindergartensatzung »mit Augenmaß« umgesetzt werden.
Die Idee aus Mittelhessen stößt auf eine breite Front der Ablehnung. Der Vorsitzende des Bundeselternrates, Wilfried Steinert, hält die Gebühr für einen »Witz« und betont: »Die Kommunikation zwischen Eltern und Erziehern muss völlig gestört sein. Strafe ist nicht die Lösung des Problems, sondern führt nur zu Frust.« Der katholische Caritasverband - selbst Träger von Kindergärten - findet die Verspätungsgebühr »absolut irrsinnig«. Und Sabine Hager vom Verband berufstätiger Mütter in Köln wettert, für die viel beschworene Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei ein solches Modell »völlig kontraproduktiv«.
Auf der Internetseite der Gemeinde klagen zwei Frauen erbost über die »Abzocke«. Sie fragen: »Welcher Angestellte kann es sich heute noch leisten, auf Gongschlag den Griffel fallen zu lassen?«

Artikel vom 31.12.2004