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Sichtbare Zeichen der
Menschwerdung Gottes

Bielefelder Kirchen schmücken sich mit Krippen


Von Matthias Meyer zur Heyde und Bernhard Pierel (Fotos)
Bielefeld (WB). Die Gotteshäuser stehen offen, und ein Blick hinein (ohnehin stets eine gute Idee) lohnt in dieser Zeit ganz besonders: Nur noch wenige Tage - bis zum Dreikönigstag (6. Januar) - schmücken die Gemeinden ihre Kirchen mit Krippen.
»Wir wagen ein kleines Experiment«, sagt Martina Henke, Küsterin in St.Hedwig (Heepen). »Wir zeigen zwar die Heilige Familie, die Hirten und den Engel, verzichten aber auf den Stall.« Eine gute Idee: Kein Dach entzieht den Heiland, Maria und Josef den Blicken, während sich auf weich fließendem Stoff die Hirten und ihre Herde die Stufen zum Altarraum hinaufbewegen.
Eine abgestorbene Wurzel schließt die friedvolle Szene optisch ab; aus ihr sprießt eine rote Rose, das sichtbare Zeichen des Wunders der Menschwerdung Gottes. Und von ferne, Tag für Tag ein wenig näher, rücken die Heiligen Drei Könige heran, die am 6. Januar das Jesuskind in ihre Mitte nehmen.
»Die Gläubigen haben unsere Idee, ohne den Stall auszukommen, gleich akzeptiert«, sagt Martina Henke glücklich. Das Arrangement der Figuren, eine gemeinschaftliche Arbeit der Küsterin mit der Gemeindereferentin Bärbel Lödige, fand überall nur Freunde.
In der Auferstehungskirche in Theesen nimmt ein Geistlicher den Aufbau der Krippe selbst in die Hand. »Unser vor drei Jahren in den Ruhestand verabschiedeter Pfarrer Hans-Martin Weber und seine Familie haben das gesamte Beiwerk zu Hause geschaffen«, erzählt Küsterin Margret Schrader. Hagen Schillig, den amtierenden Pastor, freut's.
Die Gläubigen aber auch. Im Vorraum der Auferstehungskirche entfaltet sich eine naturnahe Landschaft. Der Clou: echter Sand. »Über den freuen sich besonders die Kinder.« Die Heilige Familie wurde schon 1950 in Theesen gezeigt, und in den Folgejahrzehnten wuchs die Figurengruppe im 1951 erbauten Gotteshaus (dem ersten Bielefelder Neubau nach dem Krieg) stetig. Was recht kostspielig ist, denn die Hirten, die Engel und die Tiere stammen aus einer Traditionswerkstatt in Oberammergau.
Wo immer Christen Weihnachten feiern, findet sich auch die Krippe. Als Ausgangspunkt dieser Darstellungsform vermuten Historiker Krippenreliquien in Rom, vor denen die frühen Päpste den Weihnachtsgottesdienst zelebrierten - Franz von Assisi, der in diesem Zusammenhang oft als »Krippenerfinder« genannt wird, hat mit der Sache nichts zu tun.
Die Blütezeit der Weihnachtskrippe liegt im sinnenfreudigen Barock, gefördert vor allem von den Jesuiten. Als die weltliche Obrigkeit seit etwa 1800 Krippendarstellungen mancherorts untersagte, holten die Bürger die Heilige Familie ins private Heim.
Die größte Krippe der Welt steht in Einsiedeln. Das Diorama umfasst mehr als 450 Figuren auf 80 Quadratmetern. Ausnahmsweise handelt es sich hier nicht um eine Phantasielandschaft, sondern um die naturgetreue Nachbildung der Gegend von Bethlehem.

Artikel vom 03.01.2005