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Nach dem Start
schon im Sand

Auftakt der Dakar-Rallye in Barcelona

Von Wolfgang Schäffer
Barcelona (WB). Der Weg nach Dakar ist hart und voller Tücken. Vor allem die endlosen Wüstenpassagen verlangen den Teilnehmern der wohl schwersten und auf jeden Fall spektakulärsten Rallye der Welt alles ab.

Pascal Vincent war gerade einmal 150 Meter unterwegs, da lag er mit seiner KTM bereits im Sand. Am Strand von Barcelona hatte der Franzose beim sechs Kilometer langen Prolog seine Fahrkünste überschätzt und die Gewalt über sein Motorrad verloren. Schnell hatte er die schwere Maschine aber wieder aufgerichtet und erreichte noch das Ziel.
Die deutsche Mitsubishi-Pilotin Andrea Mayer (36) hatte sich schon am Abend vor dem Start der 9000 Kilometer langen Rallye ihre ganz eigenen Gedanken über die kurze Auftaktetappe gemacht. »Das Schlimmste was dir passieren kann, ist, dass du auf diesem einfachen Strandabschnitt einen Fahrfehler machst und dadurch das Auto auf die Seite legst. Das wäre echt peinlich.« Mit Problemen dieser Art musste sich die Wahl-Schweizerin aber nicht herumplagen. Sie kam souverän ins Ziel. »Hier für ein paar Sekunden Vorsprung zu viel zu riskieren, das wäre absolut verrückt. Bis Dakar ist es noch sehr, sehr weit. Da kann so viel passieren.«
Das mussten bereits vor dem Start einige der Teilnehmer erfahren. Bei der technischen Kontrolle fanden die »Prüfer« an dem einen oder anderen Fahrzeug Mängel und Verstöße gegen das Reglement. So mussten noch einmal die Schrauber ran, um in letzter Minute noch schützende Vorhänge an den Fenstern anzubringen oder Federwege zu verändern.
Der Amerikaner Robby Gorden, für VW im Race Touareg unterwegs und später Sieger des Prologs, wäre sogar fast noch eher gescheitert. Er war an den knallharten Personenkontrollen am Eingang hängen geblieben. Ohne seinen Teilnehmerausweis verweigerte ein übereifriger Ordner dem im VW-Dress gekleideten Rallye-Fahrer den Zutritt ins Fahrerlager. Ein Helfer brachte dem vor Wut schäumenden US-Boy die rettende Legitimation.
Damit hatten Zvonimir Martincevic und Marin Frcko zwar keinerlei Probleme. Doch sie sorgten am sonnenüberfluteten Mittelmeerstrand von Barcelona für ein verfrühtes Silvester-Feuerwerk. Kurz vor dem Ziel des Prologs schlugen plötzlich Flammen aus dem Toyota Landcruiser der beiden Privatfahrer aus Kroatien. Der Schaden am Turbolader sorgte Sekunden später für eine derart mächtige Rauchfahne, dass Großteile des Parcours komplett eingenebelt waren. Bei Sichtweite Null drohte Gefahr für die heranrasenden Teilnehmer und die gedrängt neben der Piste stehenden Zuschauer. Die Streckenposten hatten das Problem jedoch im Griff, und der Wind vom Meer blies auch den Rauch schnell wieder weg.
Für die Kroaten indessen wurde es noch eine lange Nacht. Sie verbrachten den Jahreswechsel samt ihren Technikern in der Werkstatt, um den Schaden zu beheben. Erfolgreich. Am Morgen rollte der Geländewagen wie geplant von der Startrampe.
Ein derart schnelles Ende wäre insbesondere aus finanzieller Sicht besonders ärgerlich gewesen. Schließlich müssen die Teilnehmer neben Startgebühren auch alle anderen Kosten für Schiffs- und Flugtransfers, Kraftstoff, Essen, Begleitwagen und anderes vorab bezahlen. Insider schätzen, dass in etwa 50 000 bis 60 000 Euro für ein Privatteam anfallen.
Wer sich das Wüstenabenteuer als Komplettpaket leisten will, der muss deutlich tiefer in die Tasche greifen. Mitsubishi bietet über das Tochterunternehmen Ralliart ein spezielles Dakar-Auto samt Rundumbetreuung für Fahrzeug und Fahrer an. 250 000 Euro kostet solch ein All-Inclusive-Paket, in dem nur fahrerisches Können selbst mitgebracht werden muss. Trotz der stolzen Summe und der hohen Anforderungen sind in diesem Jahr neun Ralliart-Teams in Richtung Dakar unterwegs.

Artikel vom 03.01.2005