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Süße Momente im Brezelkäfer

Rolf Stövesand bekennt sich auch als Oldtimerfan zu seinem Arbeitgeber

Von Michael Diekmann mit
Fotos von Carsten Borgmeier
und Hendrik Uffmann
Bielefeld (WB). Das Wetter ist schrecklich. Aber als der elfenbeinfarbene Brezelkäfer auf dem Hof auftaucht, lacht den Mitarbeitern der Oetker-Verwaltung das Herz, begrüßen sie den Oldtimer winkend an den Fenstern. So muss die Szenerie auch damals 1950 gewesen sein, als die Käfer für Reisende an der Lutterstraße übergeben wurden, ist sich Rolf Stövesand sicher. Der Oetker-Mitarbeiter hat recherchiert und eine »Vertreter-Brezel« im Original aufgebaut.

Der Käfer mit der elfenbeinfarbenen Lackierung (RAL 1014) und den kastanienbraunen Kotflügeln (RAL 8015) macht nicht nur Appetit auf die leckeren Pudding-Produkte von Dr. Oetker, in den Fünfziger Jahren gehörten die genügsamen und langlebigen Wagen aus Wolfsburg ebenso zum Rüstzeug der Reisenden wie das gepflegte Auftreten und die entsprechenden Fachkenntnisse.
Rolf Stövesand (58) beschäftigt sich bei Oetker 2004 mit Forschung und Entwicklung von Tiefkühlprodukten. Den Käfer mit dem markanten Brezelfenster im Heck habe er 1996 gekauft, ab 2000 dann die Restaurierung des Wagens in annähernd 1000 Arbeitsstunden vorangetrieben. »Gepackt hatte mich die Käfer-Leidenschaft schon viel eher«, gesteht Stövesand: »Als ich dann das Modellauto der Oetker-Kollektion sah, stand mein Entschluss fest, genau diesen Wagen wieder aufleben zu lassen.«
Stövesand ist ein Kind der Käfer-Generation. Als seine Mutter heimlich vom Vater Autofahren lernte, saßen Rolf und sein Zwillingsbruder Horst auf der Rückbank - natürlich eines Käfers. Als Vater Paul Stövesand seine Bäckerei und Kolonialwarengeschäft in Greffen betrieben, kamen die Reisenden des Hauses Oetker genau in solchen Käfern vorgefahren zum Kundenbesuch. Stövesand machte Führerschein auf Käfer, hatte als erstes Auto einen Käfer. Und kam zu diesem Wagen zurück, als er vor zehn Jahren für seinen Sohn einen solchen Wagen als ersten fahrbaren Untersatz besorgt hatte.
»Was willst du denn mit dem Schrott?«. An die Worte von Ehefrau Marita erinnert sich Rolf Stövesand noch sehr gut, damals 1996, als er sich mit dem Kauf des Wagens aus Schweden seinen Traum erfüllte. Das Auto hat Stammbaum. VW hat es bescheinigt. Am 5. Mai 1950 gebaut, am 8. Mai zum Kunden Scania auf die Reise geschickt, in Export-Ausführung mit Zierleisten, aber ohne synchronisiertes Getriebe. Das hat die Brezel bis heute nicht. Zwischengas ist Grundvoraussetzung für geräuscharme Fortbewegung.
Dafür jault das kleine Motörchen, wenn man auf das Rollengaspedal tritt. Der Mini-Rückspiegel macht Umsicht nahezu unmöglich. Damit die anderen Verkehrsteilnehmer über Stövesands Fahrtrichtung stets informiert sind, rüstete der Bäcker- und Konditormeister und Betriebswirt (»als Schrauber ein echter Autodidakt«) den Brezel-Käfer mit Blikern nach. Stövesand: »Die Original-Winker funktionieren aber auch.« Sprichts, und legt den Hebel um. Das Minimotörchen, haben die Profis in Wolfsburg bestätigt, hat tatsächlich erst 70 000 Kilometer gefahren und gehört laut eingeschlagener Nummer in den Original-Wagen, der 37 Jahre lang in einer Scheune die Motorisierungswelle regelrecht verschlafen hatte.
An einem grauen Dezembertag kommt Stövesands Käfer jetzt dorthin, wo die für seine einzigartige Farbgebung verantwortliche Marke ihr Zuhause hat. Und ein neues bekommen wird, in der so genannten Oetker-Welt, die im nächsten Jahr eingeweiht werden soll. Im gläsernen Erdgeschoss wird dann ein Original-Nachbau des Markenkäfers dauerhaft zu sehen sein, bis auf die letzte Schraube von Restaurator Karl-Heinz Esdar aufgebaut. Rolf Stövesand wird zur Eröffnung in seinem Marken-Brezel vorfahren. Bei Oldtimer-Treffen bekennt er sich zur Marke, zum Arbeitgeber und fährt die Marken-Rarität spazieren. Seinen einstigen Kollegen Reisenden ging es da anders. Im August 1948 waren die ersten Käfer angeschafft worden, bewährten sich. Den 1959 vorgetragenen Wunsch nach neutralen Firmenwagen erfüllte Firmenchef Rudolf August Oetker erst nach längerem Überlegen: 1963 war die zweifarbige Käferära vorbei.

Artikel vom 31.12.2004