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Leitartikel
Politiker-Nebeneinkünfte

Transparenz
muss die
Devise lauten


Von Dirk Schröder
Rot-Grün denkt über schärfere Regeln für Nebeneinkünfte nach, SPD-Chef Franz Müntefering mahnt Transparenz bei Politiker-Einkommen an, Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) fordert die generelle Offenlegung von Extra-Gehältern, und Nordrhein-Westfalens CDU-Vorsitzender Jürgen Rüttgers ist sicher, dass weitere Politikernamen auftauchen werden.
Diese Aufzählung ließe sich noch eine ganze Weile fortsetzen. Gewusst haben es also viele Parlamentarier, dass eine ganze Reihe ihrer Kollegen in Bundestag und Landtagen auf der Gehaltsliste deutscher Unternehmen stehen. Nur haben sie bisher geschwiegen - über die Gründe kann sich jeder so seinen Reim machen. Fest steht auf auch, dass immer wiederkehrende Vorstöße, für die Offenlegung von Nebenverdiensten strengere Regeln einzuführen, in den Parlamenten keine Mehrheit fanden.
Um eins klarzustellen: Rechtlich ist den jetzt ertappten Politikern nichts vorzuwerfen. Wir sollten auch weit entfernt davon sein, jedem Politiker, der ein Mandat annimmt, quasi ein »Berufsverbot« aufzuerlegen. In die Parlamente wird man nur für einen gewissen Zeitraum gewählt, und wenn wir nicht wollen, dass nur Staatsdiener und Berufspolitiker die Parlamente bevölkern, müssen wir auch akzeptieren, dass Vertreter aus der Wirtschaft oder aus freien Berufen weiter einer bezahlten Tätigkeit nachgehen.
Und der Skandal liegt bei den Herren Arentz, Meyer oder Viereck ja auch nicht darin, dass sie auf der Gehaltsliste irgendeines Konzerns standen. Doch wer wie im jüngsten Fall des niedersächsischen Landtagsabgeordneten Ingolf Viereck kein Büro bei VW hat, in keiner Telefonliste steht und dennoch 3000 Euro monatlich kassiert, hat schon einigen Erklärungsbedarf gegenüber dem Wahlvolk. Heimliche Lobbyarbeit für den »Arbeitgeber«, bei dem die Unabhängigkeit des Abgeordneten auf der Strecke bleibt, ist hier noch der geringste Vorwurf, eine Nähe zur Korrumpierbarkeit schon schärferes Geschütz, das sich bei solchen Tatbeständen schwerlich entkräften lässt.
Müntefering zeigt sich »entsetzt« über die jüngsten Affären, Wulff stellt zutreffend fest, die »Raffke-Mentalität einzelner« diskreditiere Zehntausende vornehmlich ehrenamtlich tätiger Politiker, und für den SPD-Bundestagsabgeordneten Hans-Joachim Hacker »stinkt es zum Himmel, wenn Abgeordnete Leistungen ohne jeglichen Arbeitsaufwand bekommen«.
Wie recht alle drei doch haben. Aber auch diese Feststellungen kommen eben viel zu spät. Das Kind ist wieder einmal in den Brunnen gefallen, die Glaubwürdigkeit der Politiker hat weiteren Schaden erlitten, die Politik(er)verdrossenheit in der Gesellschaft wächst weiter.
Das wird Auswirkungen haben: bei den nächsten Wahlen, wenn noch mehr Bürger zu Hause bleiben, und auf die politische Arbeit insgesamt. Transparenz muss die Devise lauten, will man das Wahlvolk zurückgewinnen.

Artikel vom 04.01.2005