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»Das geht einem
unter die Haut«

Auch ein Notfallseelsorger trauert

Notfallseelsorger Otto Rapp.Foto: dpa

Stuttgart (dpa). Noch bevor alle anderen Passagiere aussteigen, nimmt Diakon Otto Rapp den jungen Mann an der Gangway des türkischen Fliegers in Empfang: »Wir wollen die Menschen, die in Südostasien Schlimmes erlebt haben, bevorzugt behandeln. Sie sollen nicht an der Passkontrolle oder sonst irgendwo warten müssen«, sagt der Notfallseelsorger des Stuttgarter Flughafens.
Der Urlauber hat die Katastrophe miterlebt, konnte aber sich, seine Koffer und den Pass retten. Nur das Handy funktionierte nicht mehr. »Er konnte niemanden informieren, dass es ihm gut geht.« Dem jungen Urlauber geht es relativ gut, auch psychisch.
Doch Diakon Otto Rapp hat in den vergangen Tagen am Flughafen auch Menschen getroffen, die verzweifelt waren. »Eine Frau hat mich gebeten, ihr bei der Suche nach ihren beiden Patenkindern zu helfen«. Die beiden acht- und zwölfjährigen Mädchen, die den Tod ihrer Mutter miterleben mussten, sollen in einer Klinik irgendwo in Südostasien sein. Wo, weiß keiner. Rapp hat versprochen, ihr bei der Suche zu helfen, hat sich ans Telefon gehängt und beim Deutschen Roten Kreuz nachgeforscht. Bisher ohne Erfolg.
»Solche Dinge gehen einem unter die Haut«, sagt der Seelsorger. Auch er selbst muss sich dann immer wieder Mut machen. »Ich gehe in den Andachtsraum am Flughafen, halte Zwiesprache mit Gott und hole mir Kraft für meine Seele.«
Kraft und Mut bekommt er auch, wenn er die enorme Spenden- und Hilfsbereitschaft der Menschen sieht. »Wir haben unglaublich viele Kleiderspenden bekommen.« Am Flughafen wurde damit eine Kleiderkammer mit warmen Jogginganzügen oder Mänteln für die heimkehrenden Urlauber aus Südostasien eingerichtet, die alles verloren haben.
Aber auch nicht-materielle Hilfsangebote nimmt Rapp gerne an. »Bei mir rufen seit Tagen viele Therapeuten oder Traumatologen an.« Mit diesen Adressen in der Hand will er den Betroffenen und ihren Angehörigen Mut machen, sich professionelle Hilfe zu holen und das Leid zu teilen. »Schon das Bewusstsein, dass andere um mein Elend wissen, kann Menschen in Not entlasten«, sagt Rapp.

Artikel vom 04.01.2005