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79,20 Euro bis nach Rostock

Mautstart erfolgt für Spedition & Logistik Haaren ohne Probleme

Von Edgar Fels und
Stefan Hörttrich (Fotos)
Paderborn (WB). Aufgeregt? Wenigstens ein bisschen? »Nö, eigentlich nicht«, gesteht Jan Hammerschmidt. Der 19-Jährige lenkt seinen 410 PS starken MAN-Sattelzug an diesem Sonntag Abend kurz nach 22 Uhr auf die Autobahn 33. Und doch ist es ein denkwürdiger Tag. In Deutschland beginnt mit 16-monatiger Verspätung nun endgültig das Maut-Zeitalter für Lkw über zwölf Tonnen.

Auf dem Hof der Spedition & Logistik Haaren in Bad-Wünnenberg Haaren beobachten Jans Chefs, Norbert Keimeier (42) und Franjo Finke (38), die Abfahrt. »Eine spannende Sache«, sagt Keimeier und meint damit weniger die Frage, ob das satellitengestützte Mautsystem nach den Pannen in den vergangenen beiden Jahren tatsächlich reibungslos funktioniert. Davon sei er überzeugt.
Der Geschäftsführer denkt bereits einen Schritt weiter. Es werde Leute geben, die die Maut zu umgehen versuchen, ist er überzeugt. Etwa indem sie auf Fahrzeuge von knapp unter zwölf Tonnen umsatteln. Keimeier und sein Partner sind sich daher sicher: »Es ist eine Frage der Zeit, dann wird die Maut auch für Lastwagen unter zwölf Tonnen kommen.« An ein Ausweichen der Lkw auf Bundes- und Landstraßen glauben sie allerdings nicht.
Unterdessen hat der 40-Tonner die ersten Kilometer auf der A33 abgefahren. Die Mauterfassung funktioniert problemlos. Das radiogroße On Board Unit (OBU) - Herzstück der weltweit einmaligen Gebührentechnologie - zeigt auf dem Display brav die ersten Cent-Beträge an. Bei jeder Auf- oder Abfahrt gibt das Gerät einen Piepton ab. Wie bei einem Taxameter summieren sich die Beträge.
Als Jan nach gut 40 Kilometern die A2 erreicht, zeigt das OBU 5,40 Euro. Am Ende der etwa 660 Kilometer langen Tour, die ihn über Berlin nach Rostock führt, werden etwa 79,20 Euro aufgelaufen sein - pro Kilometer 12 Cent.
Die zusätzlichen Kosten geben die Speditionen an ihre Kunden weiter. Letztlich tragen wohl die Verbraucher die Mehrkosten. Der Hauptverband des deutschen Einzelhandels rechnet mit einem Anstieg der Endverbraucherpreise um ein bis zwei Prozent. Bei den Transportreisen wird mit einem Plus von sieben bis acht Prozent kalkuliert.
Die Spedition & Logistik Haaren hat in den vergangenen Monaten 32 ihrer 36 mautpflichtigen Lkw mit einem OBU ausgerüstet. Jeder Einbau kostete 280 Euro, so dass sich die Vorfinanzierung der Spedition derzeit auf knapp 9000 Euro beläuft. Für 2005 rechnet das Unternehmen mit 3,8 bis 4,2 Millionen Autobahnkilometern. Das entspräche Gebühren in Höhe von etwa 470000 bis 520000 Euro. »Wir werden zwar unseren Umsatz steigern, die Rendite wird aber aufgrund des zusätzlichen Verwaltungsaufwandes zurückgehen«, sagt Keimeier.
Jan Hammerschmidt, der eine Ausbildung zum staatlich anerkannten Berufskraftfahrer macht und daher bereits vor dem 21. Lebensjahr hinter dem Steuer eines »Brummi« sitzen darf, passiert Magdeburg. Das OBU zeigt 35,12 Euro. »Wenig los auf den Straßen«, stellt er fest. Ob das an der Maut liegt? Nein, sagt der junge Mann. So kurz nach Neujahr sei eben wenig Verkehr.
Überrascht ist auch der Bundestagsabgeordnete Gerhard Wächter (58), der die Tour bis Berlin begleitet. Als Mitglied des Verkehrsausschusses hat der Paderborner CDU-Politiker ein besonderes Interesse, den Start der Maut am ersten Werktag live zu verfolgen. »Ich war überzeugt, dass es funktioniert«, sagt er. »Aber ich hätte mit Kontrollen gerechnet.« Die blieben bis zur Hauptstadt völlig aus. Nicht ein Fahrzeug des Bundesamtes für den Güterverkehr (BAG) war zu sehen.
Probleme mit dem OBU scheint es in dieser Nacht auch bei anderen Lkw nicht zu gegeben. Dreimal fragt Jan seine Kollegen über Funk, ob sie irgendwelche Probleme mit ihren Maut-Geräten hätten. Niemand antwortet.
Etwa 30 Kilometer vor Berlin beginnt es zu schneien. Jan drosselt das Tempo, geht auf Nummer sicher, während einige Fahrer weiter Gas geben und vorbeirauschen. In den Vier-Uhr-Nachrichten sagt eine Sprecherin, nach dem Ende des Sonntagsfahrverbotes habe es kaum Probleme bei der Einbuchung in das Mautsystem an den Grenzübergängen gegeben. Drei Stunden später sollte sich auch Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) über einen »reibungslosen« Start der Lkw-Maut freuen.
Jan Hammerschmidt hat andere Sorgen. Der Wintereinbruch behagt ihm nicht. »Ich werde wohl erstmal eine Raststätte anfahren und ein wenig schlafen.« Gott sei Dank steht er mit seiner Ladung - Rankgitter und Zaunelemente - nicht unter Zeitdruck. Die Maut ist inzwischen kein Thema mehr.

Artikel vom 04.01.2005