Von Michael Diekmann und Carsten Borgmeier (Fotos) Heepen/Oerlinghausen (WB). »Egal aus welchem Fenster ich schaue, sehe ich immer unberührte Natur«, sagt Dieter Karaskiewicz (76), schnürt sich die Bergstiefel und startet mit Kniebundhose und Lodenhut zur täglichen Runde durch sein Revier. Der Bielefelder genießt die Abgeschiedenheit im Teutoburger Wald und weiß genau, wie er den Silvesterabend verbringen wird: »Ohne Fernsehprogramm und ohne Feuerwerk, mit Ehefrau Gertrud gemütlich auf der Hütte.«
Für die Ortsgruppe Bielefeld der Naturfreunde ist Dieter Karaskiewicz nicht nur der Ehrenvorsitzende, sondern eine Institution. Seit einem Jahr hat der einstige Maschinenbau-Ingenieur die Leitung der Ortsgruppe mit mehr als 600 Mitgliedern in jüngere Hände gegeben. Die Leitung und Organisation rund um das Naturfreundehaus der Bielefelder am Oerlinghauser Welschenweg ist nach wie vor fest in seiner Hand. Damit er für Gästeanfragen immer erreichbar ist, greift Naturmensch Karaskiewicz sogar zum neumodischen Handy, wenn er gerade nicht in der idyllischen kleinen Stube des einstigen Hausleiters sitzt, sondern sich auf seinen täglichen zehn Kilometern Fußmarsch befindet. Mitglied der Naturfreunde ist der Bielefelder seit 1946. Seit etwa zehn Jahren ist Karaskiewicz gewissermaßen Wanderer zwischen zwei Welten. Nachdem die Naturfreunde das letzte Vollzeit-Hausehepaar verabschiedet hatten und das 1929 erbaute heutige Gebäude mit dem markanten Giebel nach Süden zu einem Haus für Selbstversorger gemacht hatten, übernahmen Karaskiewicz als Vorsitzender und einige seiner älteren Kollegen die Rundum-Bewohnung des idyllischen Fleckchens Erde. »Wir sind bereits vor Weihnachten gekommen, haben hier die Feiertage verbracht und werden erst im neuen Jahr zurück gehen in die Stadt«, erzählt Gertrud Karaskiewicz. Sohn und Enkelkinder haben vorbeigeschaut, ihren Geburtstag am 30. Dezember hat man natürlich gemeinsam gefeiert und die Silvesternacht gehört ganz der Ruhe, bevor Anfang Januar die Rückkehr in die Großstadt Bielefeld ansteht. »Aber nur für eine Woche«, ergänzt ihr Mann sofort. Dann ist er bereits wieder dran. Der Lärm, die Luftverschmutzung, Menschen in ständiger Eile, hektische Einkäufe - so oft es geht entflieht der vitale Ruheständler in einem faszinierenden Ehrenamt der Metropole Ostwestfalens und wird stattdessen ihr touristischer Vorbote. »Viele Hausgäste schätzen unsere Gesellschaft und freuen sich über ein paar Anekdoten oder Ausflugstipps«, erzählt der 76-Jährige, der nicht selten auch mit Gästegruppen gemeinsam Richtung Bienen-Schmidt startet, zum Eisernen Anton, zum Tönsberg oder sogar bis zum Hermannsdenkmal oder der Sparrenburg. Fest mit Bielefeld verbunden ist das mächtige Haus im Schatten des Tönsberges nicht nur mit vielen Urlaubern, von denen mindestens 20 Prozent aus dem europäischen Ausland kommen. Auch die meisten Bielefelder, weiß Karaskiewicz, kennen das Haus bereits seit ihrer Jugend. Hier machte »Bielefeld« schon in den Sechzigern den Sonntagsspaziergang, tobten Generationen von Jugendlichen im Wald (»Der Bachlauf Amazonas ist bis heute für Kinder der Knüller«). Ein wichtiger Ausgangspunkt für Tagestouren ist das Naturfreundehaus auch 2004 an jedem Sonntag gewesen. Für Mathis (7) und seine Schwester Carlotta (10), die Enkel der Hausleute, war die Zeit nach Weihnachten besonders schön. Tagsüber bauten sie Schneemänner, abends spielten sie mit den Großeltern Monopoly, genossen Omas selbst gebackene Nussecken oder eine gelassene Buchlektüre auf der gemütlichen Bank des Kachelofens. Silvester 2004 sind die Hausleute übrigens nicht ganz allein im Teutoburger Wald. Mit im Haus, wenn auch auf einer anderen Etage, wohnen vier Familien aus dem ganzen Bundesgebiet, für die das Haus am Tann eine ganz besondere Bedeutung hat: Einst haben sie gemeinsam in Bielefeld studiert. Heute treffen sie sich mit ihren Familien wieder in Bielefeld, zu ein paar wunderschönen Tagen im Teutoburger Wald. Naturfreunde sind eben Familienmenschen.
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