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Diese Menschen
hoffen jetzt auf uns

l Mindestens 76 000 Tote l 100 000 Opfer befürchtet

Neu Delhi/Jakarta/Berlin (dpa). Nach der verheerenden Flutkatastrophe in Südasien steigt die Zahl der Opfer unaufhörlich: Hilfsorganisationen rechneten gestern mit bis zu 100 000 Toten. Nach offiziellen Angaben sind es bisher mehr als 76 000 Tote.

Die Weltgesundheitsorganisation befürchtet, dass noch Zehntausende durch Seuchen sterben könnten. Auch mehrere tausend Touristen wurden gestern noch vermisst. Nach Angaben von Bundeskanzler Gerhard Schröder sind darunter allein 1000 Deutsche.
Es sei von einer »deutlich dreistelligen Zahl« deutscher Opfer auszugehen. Die Bundesregierung ordnete Trauerbeflaggung an. Die deutsche Hilfe für die Katastrophenländer wurde auf 20 Millionen Euro erhöht.
Der Bundesregierung zufolge wurden bislang 26 deutsche Opfer identifiziert. Allein in Thailand war jedoch das Schicksal von mindestens 600 Deutschen unklar, wie die deutsche Botschaft in Bangkok berichtete. Für die meisten Gäste und Beschäftigten des vor allem von Deutschen besuchten Luxushotels »Magic Lagoon« bei Khao Lak in Thailand gibt es unterdessen kaum noch Hoffnung.
Bis Mittwoch wurden nur 185 der 415 Gäste lebend gefunden. Das teilte der Hotelkonzern Accor in Paris mit. 230 Urlauber sind damit tot oder werden vermisst. 70 Prozent der Hotelgäste kamen den Angaben zufolge aus Deutschland.
In Indonesien rechnete die Regierung mit bis zu 50 000 Toten. Die Zahl der Opfer auf Sri Lanka stieg nach offiziellen Angaben auf 22 000. Der Vize-Polizeichef der indischen Inselgruppe Andamanen und Nikobaren, S. Vasudev Rao, sagte: »Es sieht nicht gut aus. Die Zahl der Toten steigt jeden Tag.« Es könnten zwischen 6000 und 10 000 Tote sein. Die offizielle Opferzahl auf den Nikobaren liegt bislang bei 3000.
Mehr als 100 Menschen sind auch im ostafrikanischen Staat Somalia von der Flutwelle getötet worden, die 6000 Kilometer vom Epizentrum des Bebens entfernte Küstenstadt Hafun wurde weitgehend zerstört.
Alle internationalen Hilfsorganisationen arbeiten unter Hochdruck daran, die Menschen vor allem mit sauberem Trinkwasser zu versorgen.
Hunderttausende Kinder sind dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen zufolge obdachlos und von Krankheiten bedroht. Zahllose Menschen suchten zwischen Trümmern, in überfüllten Krankenhäusern und Leichenhallen verzweifelt nach ihren Angehörigen. In den Katastrophengebieten Sri Lankas werden nach Angaben der Hilfsorganisation World Vision Wasser und Nahrungsmittel knapp.
Der Münchner Tropenmediziner Professor Thomas Löscher warnte vor »Horrorszenarien«. »Von einer Verdoppelung der gegenwärtigen Todeszahl durch Seuchenausbruch zu sprechen ist übertrieben und nicht adäquat«, sagte Löscher. Die Seuchengefahr gehe von den Toten aus, die möglichst rasch beerdigt werden müssten. Dies sei den Hilfskräften vor Ort sehr bewusst und werde entsprechend umgesetzt.
Die Fluggesellschaft Condor hatte bis gestern mehr als 1000 Urlauber aus dem Katastrophengebiet nach Deutschland gebracht. Wie der Tourismuskonzern Thomas Cook mitteilte, würden bis heute Abend alle Urlauber aus Sri Lanka und Phuket ausgeflogen. Der Ferienflieger LTU hat bislang 2000 Urlauber zurückgebracht.
Bundeskanzler Gerhard Schröder und andere Spitzenpolitiker riefen die Deutschen zu Spenden auf. Papst Johannes Paul II. appellierte erneut an die internationale Staatengemeinschaft, den Opfern zu helfen.

Artikel vom 30.12.2004