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»Ich bin ein lutherischer Moslem«

Die ungewöhnliche Reise nach Israel und Palästina von Bärbel und Hartmut Piater

Von Paul Siegfried Schulz
Quelle (WB). »Nein«, sagen Bärbel und Hartmut Piater. »Es ist nicht gefährlich, nach Israel zu fliegen.« Was das Paar zu dieser Aussage bewegt, sind eigene Erfahrungen. Denn Bärbel und Hartmut Piater hatten sich am 13. Oktober in einen Airbus der deutschen Lufthansa gesetzt, um nach Tel Aviv zu fliegen. Und der Airbus, sagen sie, sei ausgebucht gewesen.

Doch ihr Reiseziel waren nicht die Sehenswürdigkeiten Israels, sondern Palästinenser. Und zwar palästinensische Menschen, die in der öffentlichen Diskussion über Israel und Palästina, über Krieg, Selbstmordattentate und Vergeltungsschläge nur eine sehr untergeordnete Rolle spielen - Palästinenser christlichen Glaubens. Mit einem Anteil von etwa drei Prozent an der Gesamtbevölkerungszahl sind diese eine wirkliche Minderheit.
»Es sollte eine Studien- und Begegungsreise werden«, sagt das Queller Ehepaar. Und: »Es ist eine geworden.« So habe man mit vielen Menschen gesprochen, viele Vorträge gehört. Von Israelis, Palästinensern und von Christen auf beiden Seiten.
Erste Station der Reise war Nes Ammim, ein christlicher Kibbuz im Norden Israels, der eine Stätte der Begegnung zwischen Juden, Christen und Muslimen sein soll. So hat man in der dortigen Kirche auf jegliche Symbole verzichtet, damit jede Religionsgruppe ohne Anstoß zu nehmen, dort auch beten kann.
Hier lernte das Paar Ibrahim Malik kennen, einen Moslem, der sie in sein Haus einlud. Er ist ein nicht vertriebener Araber mit israelischer Staatsangehörigkeit, der vor vielen Jahren in Deutschland studiert hat. Er lebt als Palästinenser in Israel - in einer, wie er sagt, Dreiklassengesellschaft, bestehend aus den Israelis, den Palästinensern mit israelischem Pass und den Palästinensern in den besetzten Gebieten. Malik fühlt sich gegenüber den Israelis unterprivilegiert. Aber es geht ihm deutlich besser als seinen Landsleuten in den besetzten Gebieten. »Dennoch«, so Bärbel und Hartmut Piater, »hegt er keine Hassgefühle«.
Auf ihrer Weiterfahrt treffen die beiden in Ibillin Elias Chacour, 1939 als Sohn einer christlichen Palästinenserfamilie in Galiläa geboren und melchitischer Priester. Er hat in Ibillin eine Schule errichtet und plante eine Hochschule. Was ihm von der israelischen Regierung wiederholt nicht genehmigt wurde. Worauf er den »direkten Weg« gewählt habe und nach Washington flog, um den damaligen US-Außenminister George Baker zu treffen. Was ihm nicht gelang. Aber er lernte dessen Ehefrau kennen,. Zurück in Israel habe es einige Telefonate mit ihr gegeben. Und plötzlich habe Chacour die Genehmigung für die Hochschule erhalten. Die erste christliche Hochschule in Israel konnte ihren Betrieb aufnehmen. Jetzt unterrichten arabische und jüdische Lehrer an dieser Schule.
Über Haifa ging die Fahrt dann nach Jerusalem, über weite Strecken an der neuen Mauer entlang, die Palästinenser räumlich von Israelis trennt. In Jerusalem treffen sie den evangelisch-lutherischen Bischof Younan, der über die Situation der Christen in Israel und Palästina ein genaues Bild zeichnet.
Seinen Aussagen nach sind Christen in der großen Gefahr, zwischen Israelis und Palästinensern zerrieben zu werden. Von den Israelis würden sie genauso behandelt wie Palästinenser, litten unter den gleichen Einschränkungen der persönlichen Freiheit, unter wirtschaftlichen Sanktionen und unter einer gewissen Form der Rechtlosigkeit.
Von vielen muslimischen Mitbürgern würden sie aber als Israel freundlich angesehen werden, weil auch für sie das Alte Testament einschließlich der Landverheißung gilt. Und weil sie jegliche Gewalt ablehnen, weil sie Hamas-Kämpfer daran hindern, von ihrem Gebiet aus israelische Siedlungen zu beschießen. Bei nicht wenigen Muslimen würden sie daher sogar als Kollaborateure der israelischen Besatzer gelten.
Ein Höhepunkt der Reise war dann die Fahrt nach Ramallah, dem Sitz der palästinensischen Regierung und Amtssitz des verstorbenen Jassir Arafat. Hier stand zuerst ein Gottesdienst in der evangelischen Kirche an. Danach folgte ein Besuch bei verschiedenen Gastfamilien. Bärbel und Hartmut Piater kamen dabei mit einem Religionslehrer, einem Presbyter der evangelischen Gemeinde, ins Gespräch. Und das Queller Paar spürte nach eigenen Aussagen ganz deutlich, dass sich die Menschen in Ramallah rechtlos und wie in einem Gefängnis eingesperrt fühlen.
Bärbel und Hartmut Piater erlebten ganz unterschiedliche Situationen. So etwa in Beit Jala, in »Abrahams Herberge«, geplant ursprünglich als internationale Begegnungsstätte. Dort trifft das Ehepaar Pfarrer Jadallah M. Shihadeh, der von dem Verhältnis zwischen Christen und Muslimen berichtet. Abgesehen von dem politischen Konflikt sei das Verhältnis manchmal spannungsgeladen, meistens jedoch gut.
Und dort dürfen muslimische Kinder auch christliche Gottesdienste besuchen. Und sie treffen einen Jungen, der stolz erzählt, er sei ein Moslem, aber ein »lutherischer Moslem«,
Danach standen weitere Stationen an. Hebron etwa, aber natürlich auch Bethlehem, wo der Besuch einer christlichen Schule auf dem Besuchsprogramm stand (wird fortgesetzt).

Artikel vom 31.12.2004