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Die Welt ist chaotisch,
fremd und bedrohlich

Wohngruppe für junge Autisten in Haus Nebo


Bethel (WB). »Wir kümmern uns um eine spät erkannte Herausforderung«, sagt Diplom-Pädagoge Frank Dieckbreder. In den von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel wurde in diesem Jahr eine neue Wohngruppe für junge Erwachsene mit Autismus eingerichtet. Vier Männer und eine Frau im Alter um Anfang Zwanzig sind dort eingezogen. Mit dem Angebot im Haus Nebo reagiert Bethel auf den großen Bedarf speziell für diese Altersgruppe. Denn es gibt viele Hilfen für Kinder und Jugendliche mit autistischen Störungen aber wenig für Erwachsene.
»Autisten erleben ihr Umfeld wahrscheinlich so ähnlich wie ein europäisches Kind, das mutterseelenallein auf einem arabischen Markt steht. Es versteht nichts, kann die Schrift nicht lesen und findet sich nicht zurecht. Alles ist fremd, chaotisch und bedrohlich«, erläutert Erich Möller, Teamleiter im Haus Nebo, die Lebenswirklichkeit von Menschen mit Autismus an einem Beispiel. Viele der typischen Verhaltensweisen, wie innerer Rückzug oder das Beharren auf Gleichförmigkeit seien nur Versuche, Ordnung in dieses Chaos zu bringen. Die junge autistische Bewohnerin von Haus Nebo friert nicht, auch nicht im Winter. Deshalb trägt sie weder Mantel noch Strümpfe. »Zieh dich bitte warm an, es ist kalt. Du wirst dich erkälten«, könnten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Haus Nebo zu ihr sagen. Trotzdem würde sie sich nicht dicker anziehen. Zwar versteht die junge Frau jedes Wort, aber sie begreift nicht, was ihr Gegenüber von ihr will. Deshalb erklären die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den autistischen Menschen nicht viel, sondern bringen ihnen die Fähigkeiten bei, die sie brauchen, um mit wenig Hilfe alleine zurechtkommen. Gefördert werden die jungen autistischen Menschen unter anderem nach dem TEACCH-Ansatz. Das ist eine speziell für sie in den USA entwickelte Lernmethode. Jeder Bewohner hat einen Tagesplan mit Bildern. Sie stehen für allerlei Tätigkeiten, wie Duschen, Frühstücken oder Ausruhen. Die Bewohner arbeiten ihren Tagesplan von oben nach unten ab. Wenn eine Sache erledigt ist, hängen sie das jeweilige Bild von der linken auf die rechte Seite.
Einige der jungen Erwachsenen in der Autismusgruppe können lesen und schreiben. Jedoch arbeiten sie alle in Werkstätten für Menschen mit Behinderung.

Artikel vom 03.01.2005