29.01.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Johannes Busche: »Das Leben ist schön«

Verler Rollstuhlfahrer ist als Uhrmacher erfolgreich - Als 13-Jähriger vom Baum gefallen

Von Manfred Köhler
Verl (WB). Wenn er einen großen Baum sah, musste er hinauf. Mit Begeisterung kletterte Johannes Busche als Junge in die Kronen. Seine Leidenschaft wurde ihm zum Verhängnis: An einem frostigen Novembertag vor 42 Jahren stürzte er aus einer alten Eiche auf dem Bauernhof seiner Familie in Sende acht Meter in die Tiefe. Als er im Krankenhaus erwachte, traf ihn die Wahrheit wie ein Keulenschlag: Er würde nie wieder gehen können.

»Ich dachte damals, das Leben wäre vorüber«, erinnert sich der 55-jährige Verler an den Schicksalsschlag, der ihn als 13-jähriger Junge zunächst völlig aus der Bahn warf. Mehr als ein Jahr lang war die Klinik sein Zuhause, quälten ihn Schmerzen und Hilflosigkeit. Doch er ließ sich nicht unterkriegen. »Ich habe die Volksschule beendet, und ich wollte unbedingt einen Beruf erlernen und habe mit 18 gleich noch meinen Führerschein gemacht«, sagt er stolz.
Und während er von seinen Kämpfen erzählt, ist von Bitterkeit oder Trauer nichts zu spüren. Im Gegenteil: Johannes Busche ist zufrieden, lebensfroh und packt sein Leben mit beiden Händen an. »Man darf sich nicht hängen lassen, das wäre das Schlimmste«, weiß er von anderen Leidensgefährten, die in Depression versunken sind.
Johannes Busche hat sich nicht hängen lassen, hat seinen Berufswunsch Fernsehtechniker (»da muss man schwere Geräte tragen und Antennen montieren«) aufgegeben und dafür den Idealberuf gefunden: Er ist Uhrmacher geworden. »Das ist das Beste, was mir passieren konnte«, sagt er begeistert. »Den Beruf kann ich voll ausfüllen, und er macht mir wirklich Riesenspaß.«
Und eine große Portion Glück hatte er gleich noch dazu: Als der Goldschmiedemeister Friedhelm Meier-to-Krax in Verl vor 25 Jahren ein Geschäft eröffnete, traf er Johannes Busche und stellte ihn sofort ein. Von zu Hause bis zum Geschäft sind es für den Uhrmacher nur wenige hundert Meter. »Das ist wirklich ideal«, freut er sich.
Seine Arbeit kann er sich einteilen, denn in seinen eigenen vier Wänden hat er eine weitere Werkstatt, in der er überwiegend alte Uhren repariert. Auf diesem Gebiet ist er Spezialist und schreckt auch nicht vor Ersatzteilen zurück, die es nicht mehr gibt. »Eine fehlende Welle zum Beispiel drehe ich mir selber, auch wenn dies zwei Tage dauert«, sagt er stolz. Wissen und Können hat er sich auf Lehrgängen angeeignet, die ihn bis in die Schweiz führten.
Seine große Leidenschaft neben dem Beruf ist der Sport. Und das ist nicht zu übersehen. Der 55-Jährige hat ein Kreuz und einen Händedruck wie ein Ringer. Ob Bogenschießen, Gewichtheben oder Basketball: Johannes Busche ist mit Hingabe bei der Sache. Und mit großem Erfolg: Im Basketball wurde er mit seiner Mannschaft von der BSG Bielefeld sogar schon Nordrhein-Westfalen-Meister. Inzwischen hat er den Leistungssport etwas gedrosselt und beschränkt sich auf das Training. »Kostet einfach zuviel Zeit und geht ganz schön an die Knochen«, meint er schmunzelnd.
Heute genießt er lieber Touren mit seiner Frau »Ulla«, die er vor 27 Jahren kennen gelernt hat - auf einem Schützenfest, denn Johannes Busche ist kein Kind von Traurigkeit und lässt keine Gelegenheit zum Feiern aus. Ursula Busche fährt mit dem Fahrrad, während er mit dem Handbike auf die Strecke geht. Seit 1991 hat er ein solches Gefährt, mit dem er leicht 15 Kilometer in der Stunde zurücklegt. Es ist eine Spezialanfertigung und wird einfach an den Rollstuhl angekoppelt. »Mehr als 100 Kilometer am Tag sind kein Problem. Bei schönem Wetter sind die Touren wunderbar«, erzählt er.
Nicht ganz so glücklich ist er über die aufwändige Organisation: »Die Deutsche Bahn ist ganz unflexibel. Wenn ich nach Münster will, um von da mit meiner Frau nach Verl zu starten, muss ich das vier Tage vorher anmelden, damit die Bahn eine Rampe nach Gütersloh bringt. Dann kann das Wetter schon wieder schlecht sein«, ärgert er sich. Also geht das Ehepaar vor allem im Verler Land auf Tour und entdeckt immer wieder etwas Neues.
Neues entdecken und erleben, das hat sich Johannes Busche auch zum Lebensmotto gemacht. Er sagt auch anderen Menschen, die ein Unfall von einem Tag auf den anderen an den Rollstuhl gefesselt hat, immer wieder: »Es geht weiter. Ob Sport, Freizeit oder Reisen: Man muss alles versuchen, um sein Schicksal zu meistern. Das Leben ist schön.«

Artikel vom 29.01.2005