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»Clement ist verantwortlich«

Kanzler zum Gelingen von Hartz IV - Kreis Gütersloh klagt gegen Bund

Berlin/Gütersloh (WB/dpa). Bundeskanzler Gerhard Schröder macht Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (beide SPD) persönlich für das Gelingen der Arbeitsmarktreform Hartz IV verantwortlich. Die Regierung werde sich im ersten Vierteljahr 2005 darauf konzentrieren, »die Umsetzung der Arbeitsmarktreform hinzubekommen«, sagte Schröder dem Magazin »Stern«.

Das heiße, »dass die Verantwortung eindeutig beim Bundeswirtschaftsminister liegt«. Clement muss nach Schröders Worten dazu jede Woche im Bundeskabinett »einen Vortrag« abgeben.
Clement räumte Fehler bei der Vermittlung der Hartz-IV-Reform für den Arbeitsmarkt ein. »Kommunikativ war das offensichtlich keine Meisterleistung von uns«, sagte er gestern.
Der Arbeitsmarktexperte der SPD-Fraktion Klaus Brandner (Gütersloh) kündigte an, die in Ost und West unterschiedlich hohen Regelsätze für das Arbeitslosengeld II (ALG II) überprüfen zu wollen. Er warnte jedoch vor überhöhten Erwartungen.
Bundeskanzler Schröder rechnet für Januar mit einer weiter steigenden Arbeitslosenzahl. Eine Ziffer wollte er nicht nennen: »Die Schätzungen lagen anfangs bei 500 000, nun bei 250 000, die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg meint, weit darunter. Niemand weiß es genau.« Der Anstieg sei darauf zurückzuführen, dass »die Arbeitsvermittlung sich jetzt endlich auch um die arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger kümmert«.
Kritik der Sozialverbände, das von Januar an geltende Arbeitslosengeld II sei zu niedrig, wies Clement zurück. Den Arbeitssuchenden werde zwar kein finanzieller Status mehr garantiert. »Aber was wir ihnen garantieren, sind intensivste Vermittlungsbemühungen.«
Der FDP-Arbeitsmarktexperte Dirk Niebel geht davon aus, dass die Arbeitsagenturen im Januar eine Flut von Widersprüchen gegen die ALG II-Bescheide bearbeiten müssen. Deswegen könnten sie sich zunächst nicht um die Vermittlung Arbeitsloser kümmern.
Die Städte und Gemeinden sehen sich für den Start der Hartz-IV-Reform zum 1. Januar 2005 gut vorbereitet. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sagte: »Die Kommunen haben einen Riesenkraftakt geleistet, und wir erwarten darum keine größeren Probleme bei der Umsetzung.« Alle Anspruchsberechtigen bekämen im Januar ihr Geld. In Notfällen werde eine Soforthilfe geleistet, auch wenn der Betroffene zuvor keinen Antrag auf ALG II gestellt habe.
Der Mieterbund befürchtet, dass mit dem neuen Arbeitslosengeld II mehr als 100 000 Haushalte im nächsten Jahr ihre Wohnungen nicht mehr bezahlen können und umziehen müssen. Bei etwa 3,5 Millionen Haushalten erwerbsfähiger Hilfeempfänger entspreche dies einem Anteil von drei Prozent, erklärte Mieterbund-Direktor Franz-Georg Rips.
Als einzige Behörde in Nordrhein-Westfalen klagt der Kreis Gütersloh gegen die Arbeitsmarktreform Hartz IV vor dem Bundesverfassungsgericht. Gemeinsam mit jeweils fünf Landkreisen aus Bayern und Sachsen sieht der Kreis Gütersloh in der Reform einen unzulässigen Eingriff des Bundes in die kommunale Selbstverwaltung. Hinter dieser Klage stehen vor allem finanzielle Nöte. Die Reform stellt den Kreis vor eine Mehrbelastung in Höhe von 18,6 Millionen Euro.

Artikel vom 29.12.2004