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Seebeben

Flut reißt Zehntausende
in den Tod

Eine gewaltige Flutkatastrophe in Südasien hat am 2. Weihnachtstag die Küstenzonen mehrerer Staaten in einem beispiellosen Ausmaß verwüstet und zehntausende Menschen getötet.

Nur Trümmer sind vom Heim dieses Inders geblieben.
Am Tag nach dem Todesbeben, das etwa 24 000 Opfer kostete (Stand bei Redaktionsschluss dieses Magazins), begannen groß angelegte, internationale Hilfsaktionen. In den von den Wassermassen zerstörten Gebieten drohen vielerorts Seuchen. Während die Aufräumarbeiten in vollem Gang waren, standen hunderttausende Menschen in Asien vor den Trümmern ihrer Existenz. Unter den Toten waren auch viele hundert Touristen. In Sri Lanka kamen mindestens vier Deutsche ums Leben.
Am schlimmsten betroffen waren arme Fischerdörfer an den Küsten Südindiens und Sri Lankas. Mindestens ein Drittel der Toten waren Kinder. Die Vereinten Nationen sprachen von einer »Katastrophe ohne Beispiel«. »Dies ist eine große menschliche Katastrophe«, sagte auch Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne).
Ein Seebeben der Stärke 9,0 vor Sumatra hatte am letzten Dezember-Sonntag die Flutwellen ausgelöst. Die Wassermassen rissen allein in Sri Lanka 11 000 Menschen in den Tod. Nach Angaben des indischen Fernsehens stieg die Zahl der Toten in Indien auf 6900. Mindestens 4700 Opfer wurden aus Indonesien gemeldet. In Thailand starben mehr als 800 Menschen, mindestens 51 in Malaysia und 46 auf den Malediven. Aus dem ebenfalls betroffenen Birma (Myanmar) lagen keine Angaben vor. Tote und Verletzte gab es auch auf den Seychellen und in Ostafrika. In Somalia wurden mehr als 100 Fischer vermisst. Ganze Küstenzonen wurden verwüstet.
Allein auf Sri Lanka kamen nach unbestätigten Berichten 600 Urlauber ums Leben. Den Tod von vier Deutschen auf der Insel bestätigten deutsche Reiseveranstalter. Außerdem starben in den Krisenregionen mindestens elf Italiener, vier Briten, drei Franzosen und drei Österreicher. Weitere Europäer wurden als vermisst gemeldet.
Aus der schwer betroffenen indonesischen Provinz Aceh berichteten Reporter von Dutzenden von Leichen entlang der Straßen. Rettungskräfte in Aceh bargen Opfer unter Trümmern. Augenzeugen sahen Leichen auf Bäumen und zwischen Felsen hängen. Strom- und Kommunikationsverbindungen waren weiter unterbrochen.
Auch auf den Stränden im Südosten Indiens türmten sich Leichen und Tierkadaver. Anwohner bereiteten Massenbestattungen vor. Eine Mutter auf der verzweifelten Suche nach ihren Söhnen berichtete am Telefon von Kinderleichen auf Krankenhausfluren. »Überall sind Fliegen, und es ist ein schrecklicher Gestank.« »Wir haben Leichen aus dem Sand gezogen, die Zerstörung ist unvorstellbar«, sagte Pater Arputham der dpa, der im Auftrag der Malteser in Indien Soforthilfe leistet. »Die Menschen stehen vor dem Nichts. Jetzt benötigen wir Medikamente wegen der drohenden Seuchengefahr.«
Das Auswärtige Amt in Berlin richtet einen Krisenstab ein und schaltete eine Hotline. Mindestens 6400 deutsche Urlauber hielten sich in der Region auf.
Während die internationale Hilfsaktion für Obdachlose und Verletzte anlief, warnten auch die Vereinten Nationen (UN) vor einem Ausbruch von Seuchen in den Katastrophengebieten. Die UN sehen sich einer »Katastrophe ohne Beispiel« gegenüber. »Eine solches Ausmaß hat es zuvor noch nie gegeben«, sagte eine Sprecherin in Genf. Hunderte von Helfern sowie dringend benötigte Geräte und Medikamente wurden mit Flugzeugen aus aller Welt auf den Weg gebracht. Die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Föderation (IFRC) bat um Spenden zunächst in Höhe von umgerechnet fast fünf Millionen Euro. Die Bundesregierung sagte eine Million Euro zu, die Europäische Union versprach drei Millionen Euro Soforthilfe.
Die großen Reiseveranstalter TUI, Thomas Cook und Rewe Pauschaltouristik waren sofort bemüht, die Touristen aus den betroffenen Regionen so schnell wie möglich wieder nach Hause zu bringen. In Sri Lanka seien 180 TUI-Urlauber in Sicherheit gebracht worden. Sie warteten in Colombo auf ihre Rückflüge. Die 370 Gäste auf den Malediven seien unversehrt geblieben. Die meisten von ihnen wollten ihren Urlaub fortsetzen.
Der allergrößte Teil der Schäden durch das Erdbeben in Asien ist nach Angaben des weltgrößten Rückversicherers Münchener Rück nicht versichert.

Artikel vom 31.12.2004