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»Auf Sri Lanka herrscht Chaos«

Erste deutsche Urlauber zurückgekehrt

Von Reinhard Brockmann
Düsseldorf (WB). Bei dem verheerenden Beben sind auch vier deutsche Touristen getötet worden. Das sagte der Präsident des Deutschen Reisebüro- und Reiseveranstalter-Verbands, Klaus Laepple, gestern in Berlin. Unterdessen sind die ersten Deutschen aus Südostasien zurückgekehrt. Übereinstimmend berichteten sie von dramatischen Szenen.


»Die Socken gehören der LTU, die Flip Flops mir«, sagt Alice Kinnier und lächelt mühsam. Die 42-jährige Kölnerin ist noch soeben davon gekommen, wie fast alle der 315 deutschen Touristen, die gestern Abend als erste von den Malediven nach Deutschland heil zurückgekehrt sind.
»Zehn Minuten später, und unser Boot zur Hauptinsel wäre wie alles voll vor die Hafenmauer geknallt«, sagt Mario Lambert aus Kassel.
Melanie Kerspohl aus Düssledorf konnte die Riesenwelle sehen, direkt aus dem Wasserflugzeug, das Minuten vor der Katastrophe am Sonntagmorgen abgehoben hatte. »Nicht die Höhe der Welle, sondern die Geschwindigkeit ist das Problem«, erzählt Alice Kinnier.
Bernd und Andrea Meyer aus Dortmund haben das ganze Ausmaß erst im Flughafen von Male aus den Erzählungen anderer Reisender erfahren. Sie könne immer noch nicht glauben, wie knapp sie dem Unheil entkommen sind. Eine Frau habe ihr Baby verloren, andere hätten sich an den Bäumen nicht lange genug festhalten können, heißt es dort.
Horrorgeschichten machen die Runde, bis die Passagiere 40 Stunden nach der Katastrophe endlich in Düsseldorf landen. An der Gepäckausgabe werden fast alle von Abholern aus ganz Deutschland, den Niederlanden und sogar aus Dänemark in Empfang genommen. Schon lange hat Mahoud Mercedes vom Blumenladen gegenüber dem Ausgang nicht so große und so viele Sträuße, Luftballons und Girlanden verkauft.
Ja, es seien viel mehr Rückkehrwillige in Male am Flughafen gewesen, als der Airbus A 320-200 mitnehmen konnte, bestätigt ein LTU-Sprecher in wohl gesetzten Worten. Dort, wie in Colombo auf Sri Lanka, herrschte das Chaos.
Von geordnetem Einchecken konnte nicht mehr die Rede sein. Eine Gruppe von zehn Deutschen hatte es schon am Sonntag geschafft, in Badesachen und ohne Papiere nach Budapest zu fliegen. Dort gab es Kleidung und einen Flug nach Frankfurt. Weil jeder irgendwie versuche, heraus zu kommen, seien Vermisstenlisten und andere Übersichten schier unmöglich, heißt es bei den Fluggesellschaften.
Und es gibt sogar Touristen, die immer noch in die Krisengebiete wollen, die Airlines halten sie offenbar nicht auf. In einer Sondermaschine, gestern Abend um 21 Uhr ab Düsseldorf nach Phuket/Thailand, saßen neben einer nicht genannten Zahl Unbeirrbarer auch 15 Katastrophenhelfer, die mit sechs Tonnen Material eincheckten - alles kein Problem in Ausnahmesituationen.
Für die insgesamt 617 Ankömmlinge aus Male und Colombo gestern Abend am Düsseldorfer Flughafen standen 22 Helfer, die vom Pullover bis zum Taxigutschein alles bereit hielten, um weiterzuhelfen. Für alle gilt es an diesem Abend nur noch, schnell nach Hause zu kommen. Erst dann, so sagt Melanie Kerspohl, »weiß ich, dass ich noch mal davon gekommen bin«.

Artikel vom 28.12.2004