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Die »meisterliche« Sehnsucht

Nächster Anlauf: FC Schalke 04 hat den Ball-Blues noch nicht vergessen

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
Gelsenkirchen (WB). Scharf geschossen wurde »AufSchalke« beim Finale 2004. Da legten sich die Biathleten in der Fußball-Arena auf ihre Matten und visierten die Scheiben an. Wenn jetzt im neuen Jahr die Profis des FC Schalke 04 zielgerichtet zur Tat schreiten, dann peilen sie den Meistertitel an.
Mimoun Azaouagh stürmte von Mainz zu Schalke.

Als letzter Bundesligist beenden die »Knappen« erst heute den Winterschlaf, am Ende wollen sie Erster sein. Dazu soll auch Mimoun Azaouagh (22) beitragen. Der Mittelfeldspieler gilt als eine der größten Ball-Begabungen hierzulande und wenn er sich nicht am Knie verletzt hätte, wäre vielleicht auch der gebürtige Marokkaner schon zu seinem Debüt in der A-Elf gekommen. Bundestrainer Jürgen Klinsmann fackelt da ja nicht lange.
Die Schalker werden dem FSV Mainz 05 sicher eine saftige Ablösesumme überweisen. Wer die Zukunft plant, muss eben seinen Preis dafür zahlen. Azaouagh bekam auch gleich einen Vertrag bis 2009, bis dahin ist die WM in Deutschland längst Geschichte und die nächste (in Südafrika) wirft schon ihre Schatten voraus.
»Er ist ein riesig talentierter Spieler. Wir hoffen, dass er seine positive Entwicklung bei uns fortsetzt«, sagte Schalke-Manager Rudi Assauer über die Neuverpflichtung, dessen Fertigkeiten auch in Bielefeld schon zu bestaunen waren: Der »Schmachtlappen« jagte den verdutzten Arminen im Duell der Aufsteiger einen Freistoß zum 1:1 ins Netz. Nicht einmal Mainz-Trainer Jürgen Klopp hatte so ein Pfund aus 25 Metern Entfernung für möglich gehalten. Das Liga-Leichtgewicht Azaouagh bringt nur 63 Kilogramm auf die Waage. »Ich dachte, der kommt gar nicht bis zum Tor«, bekannte Klopp nach dem Treffer in Bielefeld, der seiner Elf das Remis sicherte.
Nun verstärkt der junge Mann das Schalker Star-Ensemble. Dort ist für die neue Saison auch die Position eines rechten Verteidigers zu besetzen. Möglicherweise wird zu klären sein, wieviel die Dienste des Bielefelder Neu-Nationalspielers Patrick Owomoyela den »Knappen« wert wären. Zuletzt agierte Hamit Altintop auf der Außenbahn, sein Platz ist aber eher das offensive Mittelfeld.
Auf alle Fälle bläst Schalke 04 zum Generalangriff auf den FC Bayern. Und wenn es in diesem Jahr nichts wird mit dem Titel, dann vielleicht im nächsten. Uefa-Cup-Triumph, Doppelschlag im DFB-Pokal - alles ganz wunderbar in der Vergangenheit. Doch die richtige Titel-Sehnsucht kann nur die Meisterschale stillen, zumal die Schalker vor drei Jahren für vier Minuten das Ding sozusagen schon in den Händen hielten, ehe Rekord-Champion Bayern in Person des Schweden Patrick Andersson mit der letzten Saisonaktion in Hamburg den Westfalen Platz eins wieder entriss. Selbst harte Männer weinten damals. Da überkam die »Königsblauen« der Ball-Blues.
Eine Weile her, immer noch eine schmerzliche Erinnerung. Ein paar Trainer haben die Schalker seither verschlissen (Neubarth, Wilmots, Heynckes). Jetzt könnte Ralf Rangnick endlich an die seligen Stevens-Zeiten anschließen. Der Schwabe führte die Mannschaft aus den Niederungen der Tabelle zum Hinrunden-Abschluss fast an die Spitze, den Schuss vor den Bug akzeptierte der Fußball-Lehrer als heilsame Lehre. Gegen Schlusslicht SC Freiburg (1:1) gaben die Gelsenkirchener gnädig ihre Chancen auf die Pole Position her.
»Wenn uns einer diesen zweiten Platz zum Saisonende garantieren würde, unterschreibe ich das jetzt«, mahnte Manager Assauer dazu, nur nicht zu hoch zu fliegen. Allerdings war es wohl auch eine Finte in Richtung der mitkonkurrierenden Bayern und Stuttgarter. Vielleicht sollten die denken, dass es die Schalker im Augenblick noch nicht so ganz ernst meinen - es wäre ein Fehler. Denn wenn die können, dann schnappen sie zu.
Spielraum nach oben bleibt, nicht nur in der Tabelle. Zuletzt wirkte die Mannschaft müde und matt. Zudem hat ihr teurer Torjäger beim Treffen noch Nachholbedarf. Dass sich Ailton während des Heimaturlaubs in Brasilien beim Rodeo darin versuchte, einen Ochsen zu zähmen, indem er ihn am Schwanz packte, berichtete die »Bild-Zeitung«. Und auch, dass sich der Stürmer bei diesem Zweikampf die Finger brach. Zum Toreschießen sind Beine in aller Regel wichtiger, deswegen will der Verein von einer Bestrafung des Exzentrikers absehen. In seinen wenigen Schalke-Monaten hat Trainer Rangnick schließlich auch schon festgestellt, wie er den »Toni« zu nehmen hat. Hauptsache, der Mann findet den Flieger, der ihn wieder rechtzeitig zum Dienst nach Deutschland bringt.
Dort gibt es gleich zu Beginn der zweiten Saisonhälfte am 22. Januar ein Wiedersehen mit Ailtons Ex-Verein. Meister Werder Bremen erscheint AufSchalke. Danach wissen alle Titelkandidaten bestimmt schon ein wenig mehr.

Artikel vom 05.01.2005