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Schwierige Manöver: Kursteilnehmerin Kelly Köhler bei der Übungsfahrt mit dem Bus.

Frauen dringen in Männerdomäne vor

Teilzeit - Umschulungsmaßnahme für Berufskraftfahrerinnen erfolgreich abgeschlossen

Von Ulrich Hohenhoff
Ummeln (WB). Mehr als 32 Monate haben sie gebüffelt, Theorie gepaukt, praktische Tests absolviert und eine betriebspraktische Ausbildung in Busunternehmen abgeleistet, wollen jetzt in eine typische Männerdomäne vorstoßen: 15 Damen ließen sich in Teilzeit zur Berufskraftfahrerin umschulen, erhielten die entsprechenden Führerscheine und den begehrten IHK-Abschluss.

Für das »Bildungswerk Verkehrsgewerbe Westfalen-Lippe e.V.« mit Sitz in Bielefeld war es eine der letzten Umschulungsmaßnahmen dieser Art. Dessen Regionalleiter für OWL, Hans Jörg Berker: »Die Bundesagentur für Arbeit finanziert eine derartige Umschulung nicht mehr«. Und das trotz guter Vermittlungsquoten. »80 Prozent der Teilnehmerinnen vorhergehender Lehrgänge haben im Anschluss einen Job gefunden«, sagt Berker. Sechs derartige Lehrgänge seit 1994 wurden bereits durchgeführt.
Auch für die Frauen der jüngsten Umschulungsmaßnahme stehen die Chancen, in ihrem neuen Betätigungsfeld Fuß zu fassen, nicht schlecht. »Viele haben bereits einen Job, andere verhandeln noch«, freut sich Katrin Sempf, »Klassensprecherin« der Umschulungsgruppe, die ihren gelungenen Abschluss im Gemeinschaftshaus Trüggelbachstraße in Ummeln feierte.
»Unsere Teilnehmerinnen profitieren vom so genannten Klebeeffekt«, begründet Hans Jörg Berker die guten Vermittlungsaussichten. »Die Damen bleiben in der Regel in dem Ausbildungsbetrieb kleben, in dem sie ihr fast einjähriges Praktikum absolviert haben. Welcher Chef hat schon die Möglichkeit, über einen so langen Zeitraum mögliche Bewerber zu beobachten und zu testen ?«
Das »Bildungswerk Verkehrsgewerbe Westfalen-Lippe e.V.« richtet sich mit der Teilzeit-Umschulungsmaßnahme an eine bestimmte Zielgruppe: die Teilnehmerinnen mussten mindestens ein Kind haben, den PKW-Führerschein besitzen, ein positives Ergebnis des für die Führerscheine erforderlichen TÜV-Tests vorweisen und mindestens 21 Jahre alt sein. Berufsvorkenntnisse waren nicht erforderlich. »Wir haben Teilnehmerinnen ohne Beruf, Arbeitslose aus anderen Berufen oder auch Frauen, deren Ehemänner Brummifahrer sind«, sagt Berker.
Der Spaß an großen Autos hat Katrin Sempf, Hausfrau und Mutter von vier Kindern, dazu gebracht, sich mit dieser Umschulungsmaßnahme zu qualifizieren. »Das, was Männer können, ist auch für uns machbar«, begründet sie ihren Einstieg in die Männerdomäne. Alle Lehrgangsteilnehmerinnen waren mit Begeisterung dabei, beschäftigten sich mit Arbeits-und Tarifrecht, Organisation und Aufbau eines Ausbildungsbetriebes, Sicherheit sowie Gesundheits-und Umweltschutz, Kontrollieren, Warten und Pflege der Fahrzeuge, Vorbereitung und Durchführung der Beförderung, Verkehrssicherheitstechnik, kundenorientiertem Verhalten , Planung und Logistik, Kostenrechnung und Vertragsabwicklung, Rechtsvorschriften im Straßenverkehr und Verhalten nach Unfällen.
Und natürlich mit der Fahrpraxis. Die wurde mit einem Bus im Brackweder Gleisdreieck durchgeführt. Zu den Manövern gehörten die Grundfahraufgaben wie rückwärtsversetzt rangieren, Tordurchfahrten, Wenden in drei Zügen und Slalom vorwärts. »Der schwerste Teil der Prüfung«, meint Katrin Sempf, die schon ihr nächstes Ziel anvisiert: Sie will einen Ausbilderschein machen.
Hohe Motivation bescheinigt Rainer Wilming, Ausbilder für Berufskraftfahrer allen Teilnehmerinnen. »Die waren sehr konzentriert bei der Sache«. Das bestätigt auch Marion Weber, sozialpädagogische Betreuerin der künftigen Berufskraftfahrerinnen. Sie leistete psychologische Betreuung, half den Damen »bei den Ämtern« und bei der Kinderbetreuung.

Artikel vom 28.12.2004