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Kleine China-Engel fliegen
auf deutsche Weihnachtstische

Tochter und Mutter Birkenhake für Deko-Artikel unterwegs in Fernost

Von Bernhard Hertlein
Verl (WB). Wenn in einigen hundert Jahren Archäologen in China kleine Weihnachtsengel ausgraben, werden sie verwundert feststellen, dass von Jahr 2004 an ganz viele ihnen Rosenkränze auf ihren Köpfchen tragen. Fragend, wo diese Mode ihren Ursprung hat, werden sie unweigerlich auf Verl in Ostwestfalen stoßen -Êund auf Nina und Angelika Birkenhake.

»Wir sind das ganze Jahr über mit Weihnachten beschäftigt«, berichtet Nina, die 26-jährige Tochter von Angelika Birkenhake (50). Beide haben vor zwei Monaten in China bereits die Musterfertigungen für 2005 in Auftrag gegeben.
Vor fünf Jahren beschloss Nina Birkenhake, nach ihrem Jura-Studium nicht den Anwaltsberuf zu ergreifen, sondern stattdessen in Verl bei Gütersloh ein eigenes Unternehmen aufzubauen. Das dortige elterliche Geschäft handelt mit Dekorationsartikeln, die in Blumenläden vermarktet werden. Über Kontakte zu einer holländischen Firma weitete Nina das Programm in ihrem Unternehmen auf Wohndekoration aus.
Heute ist dies das Hauptstandbein von »Trend-Art«. Die 15 Mitarbeiter des Unternehmens kaufen und verkaufen Artikel, die niemand wirklich braucht, die aber auf Tischen und Fensterbänken, in Schränken und Regalen jedes Zimmer schöner und wohnlicher machen. Nur absolute Bauhaus-Puristen mögen Weniges davon -Êund schon gar nicht von Trend Art - als Kitsch abtun.
Die Verler haben sich in der Branche schnell einen guten Namen verschafft. Die Nachfrage ist riesig, eine jährliche Umsatzsteigerung von 15 bis 20 Prozent normal. Das Warensortiment ist ganzjährig ausgelegt. Aber besonders groß ist die Nachfrage in der Vorweihnachtszeit. An den Aktionstagen in Oktober und November kommen täglich gut 500 Kunden in das Einzelhandelsgeschäft.
Noch wichtiger ist die Rolle Trend Arts als Großhändler mit bundesweit 4500 Kunden, die regelmäßig in Verl bestellen. Unter ihnen sind nicht nur Deko- und Geschenkartikel-Läden, sondern beispielsweise auch das KaDeWe in Berlin, der Bertelsmann-Buchclub und die Bielefelder Mode-Einkaufsgruppe Katag. Zu den deutschen Kunden kommen nach Angaben Nina Birkenhakes noch einmal 800 bis 1000 Einkäufer aus dem Ausland -Êvon den Niederlanden über Norwegen, Spanien und Portugal bis nach Dubai.
Nach China gelangten Mutter und Tochter erstmals als Teilnehmerinnen einer von der Industrie- und Handelskammer organisierten Informationsreise. »Dieses Erlebnis hat uns die Scheu vor weiteren Kontakten in China genommen«, berichtet Angelika Birkenhake. Auf Fachmessen wurden Verbindungen geknüpft, bevor sie und ihre Tochter sich entschieden, direkt vor Ort einzukaufen.
Anders als viele andere - vor allem männliche Einkäufer - haben die beiden Frauen eine sehr genaue Vorstellung von dem, was in Mitteleuropa gefällt. In Asien ist Englisch weit verbreitet. Außerdem werden Hand, Fuß und Zeichenstift zu Hilfe genommen, um Wünsche zu verdeutlichen. Damit rennen sie in China offene Türen ein: »Hier will jeder Business machen -Êfast um jeden Preis.«
Die größten Hindernisse sind dem jungen Unternehmen nicht in Fernost, sondern von heimischen Banken in den Weg gestellt worden. »Normalen Arbeitnehmern wird ein höherer Überziehungskredit eingeräumt als uns zu Anfang«, berichtet Nina. Und nicht nur das: Ein Institut wollte die erste Container-Lieferung selbst dann nicht vorfinanzieren, als sie hier bereits zu 100 Prozent verkauft war. »Frau Birkenhake, was machen Sie denn, wenn der Container ins Wasser fällt?« lautete die Frage. Doch irgendwie - und weil die Kundschaft selbst von der Ware überzeugt war -Êschaffte es Trend Art, das notwendige Geld »zusammenzukratzen«.
Heute sind die Geschäftsbeziehungen fest etabliert. Bei den Lieferanten in China kennt man das in der sonst von Männern dominierten Wirtschaftswelt exotisch anmutende Frauen-Duo. In den Verhandlungen sind die Mutter, etwas emotionaler, und die Tochter, etwas vorsichtiger, bestens aufeinander eingestellt. Beiden bereitet es zudem Spaß, dauernd auf Achse zu sein: »Von den 365 Nächten dieses Jahres haben wir 153 im Hotelbett verbracht.«
Der Qualität wegen kaufen Birkenhakes außer in China unter anderem auch in Indien (Messing-Kerzenständer), Vietnam (Keramik) und Rumänien (Glaswaren) ein. Aber die besondere Zuneigung von Nina und Angelika Birkenhake gehört dem Reich der Mitte. Dabei machen sie nicht nur positive Erfahrungen. So wurde etwa ihre Idee, den Porzellan-Engeln hübsche Rosenkränze aufzusetzen, inzwischen millionenfach kopiert. Dagegen vorzugehen ist für ein mittelständisches Unternehmen sehr schwer. »Wie gut nur, dass wir noch so viele neue Ideen haben«, stellt Nina fest.
Einen konnten Mutter und Tochter mit dem China-Fieber bisher nicht infizieren: Ehemann und Vater Helmut Birkenhake (61) bleibt lieber zu Hause. Dort, im Büro, ist er ohnehin unersetzlich.
www.trendart-birkenhake.de

Artikel vom 24.12.2004