24.12.2004 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Yukos-Tochter in Staatshand

Moskau kauft Gewinner der Zwangsversteigerung -ĂŠPutin-Freund ist Chef

Moskau (dpa). Die staatliche russische Ölfirma Rosneft hat den Kernbetrieb des angeschlagenen Yukos-Konzerns übernommen. Nach der umstrittenen Zwangsversteigerung von Juganskneftegas habe Rosneft den Auktionsgewinner Baikalfinanzgruppe gekauft, sagte ein Sprecher von Rosneft in Moskau. Er beendete damit das mehrtägige Rätseln über das Schicksal des westsibirischen Yukos-Ölförderers.
Ein russischer Arbeiter überprüft die Anlagen von Yuganskneftegaz auf dem Mamontovskoye-Ölfeld in Sibirien in der Nähe der Stadt Nefteyugansk. Das Unternehmen ist nun in Staatsbesitz. Foto: Reuters
Hilflos hinter Gittern:
Michail Chodorkovsky.

Präsident Wladimir Putin stellte am Donnerstag fest, der Kauf entspreche marktwirtschaftlichen Regeln. Während der Privatisierung der 1990er Jahre hätten einige Unternehmer mit Gesetzesverstößen Millionenwerte an sich gerissen. »Jetzt nutzt der Staat absolut legale Marktmechanismen, um seine Interessen zu verteidigen«, sagte Putin zu der faktischen Verstaatlichung.
Den Aufsichtsrat von Rosneft führt einer der engsten Mitarbeiter Putins, der frühere Geheimdienstoffizier und jetzige Vizechef der Kreml-Verwaltung Igor Setschin. Mit dem Zukauf von Juganskneftegas fördert Rosneft etwa 15 Prozent des russischen Öl. Unklar blieb das künftige Verhältnis von Rosneft zum Gasriesen Gasprom. Die russische Regierung hatte eigentlich eine Eingliederung von Rosneft in das wachsende Ölgeschäft von Gasprom geplant.
Yukos kündigte an, seine Schadenersatzklagen im Streit um Juganskneftegas auf Rosneft auszuweiten. »Wir haben immer gesagt, dass der Käufer von Juganskneftegas sich ein ernsthaftes Kopfweh einhandelt«, sagte Yukos-Sprecher Alexander Schadrin. Yukos beziffert den Schaden durch den Verkauf seines wichtigsten Ölförderers auf 14,9 Milliarden Euro. Anwälte des Konzerns in den USA prüften Klagen gegen Rosneft vor amerikanischen Gerichten, berichteten die Zeitungen »Financial Times« und »New York Times«. Die Baikalfinanzgruppe hatte Juganskneftegas am Sonntag für mehr als sieben Milliarden Euro ersteigert.
Auf den westsibirischen Ölförderer entfallen etwa 60 Prozent der Yukos-Produktion und 10 Prozent der russischen Gesamtproduktion. Er war wegen der Steuernachforderungen gegen Yukos in Höhe von 20 Milliarden Euro zwangsversteigert worden.
Der Staat habe das komplizierte Manöver mit der Briefkastenfirma Baikal unternommen, um Klagen gegen Gasprom abzuwenden, sagten Analysten in Moskau. Die Experten sahen jedoch die Chancen für Gasprom schwinden, Rosneft wie geplant übereignet zu bekommen. »Rosneft ist so groß geworden, dass es auf Eigenständigkeit pochen kann«, hieß es bei der Bank Uralsib.
Putin verurteilte den amerikanischen Richterspruch gegen die Versteigerung von Juganskneftegas. Das Urteil der Richterin aus Houston (Texas) sei »absolut unannehmbar« und verstoße gegen internationales Recht. Der Yukos-Mehrheitseigner, die Finanzgruppe Menatep, erklärte in London, Russland als Mitglied der G-8 müsse juristische Normen einhalten. Moskau habe auch gegen Regeln der Welthandelsorganisation WTO verstoßen, der es beitreten wolle. Hauptaktionär von Menatep ist der inhaftierte frühere Yukos-Vorstandschefs Michail Chodorkowski. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 24.12.2004