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»Zwangsvergreisung«
nicht mehr mit 65 Jahren

Professoren dürfen länger in Amt und Würden bleiben

Bielefeld (sas). Im September kommenden Jahres feiert der Biologe Prof. Dr. Alfred Pühler seinen 65. Geburtstag. Noch vor gut einem Jahr hätte das für ihn den Abschied von der Universität bedeutet; die »Zwangsvergreisung«, wie es der Historiker Prof. Dr. Reinhart Koselleck einmal genannt hat. Der renommierte Genetiker aber wird der Hochschule erhalten bleiben. Eine Gesetzesänderung macht es möglich.

»Grundsätzlich ist eine Verlängerung für jeden möglich«, sagt Uni-Kanzler Hans-Jürgen Simm. Niemand muss, jeder kann über seinen 65. Geburtstag hinaus in Lehre und Forschung aktiv bleiben - wenn das Wissenschaftsministerium unter Berücksichtigung des Votums der Hochschule und mit Jahresbeginn Hochschule und »Heimatfakultät« des Betroffenen alleine dies unterstützen.
»Die Hochschule lehnt ein solches Ansinnen ab, wenn Stellen abgegeben werden müssen und künftig wegfallen oder aber, wenn eine Professur aus strukturellen Gründen neu und mit anderer Ausrichtung ausgeschrieben wird«, erläutert Simm. Hintergrund sind von ministerieller Seite fiskalische Interessen: Statt einem Emeritus die Pension und dem neuen Lehrstuhlinhaber das Gehalt zahlen zu müssen, ist eben nur das Gehalt für den gestandenen Professor fällig.
Allerdings: Die Verlängerung ist nur bis zum 68. Geburtstag möglich und wird nur häppchenweise, von Jahr zu Jahr gewährt. »Dann wird wahrscheinlich alle zwölf Monate die geistige Leistungsfähigkeit überprüft«, schmunzelt Pühler.
Er freut sich, weitermachen zu können. »Es laufen noch Forschungsprojekte, die quasi an mich gebunden sind. Und die Entwicklung der Fakultät hat in den vergangenen Jahren eine Richtung genommen und einen Punkt erreicht, dass ich richtig Spaß daran habe.«
Dass mit Pühler ein »Aushängeschild« und Wissenschaftsmanager der Biologie-Fakultät weitermachen wird, ist auch im Interesse der Hochschule: »Pühler ist einer der wichtigsten Wissenschaftler der Universität und einer der wichtigsten Wissenschaftler auf dem Feld der Genomforschung«, betont der Kanzler. Der Biologe habe einen wesentlichen Anteil daran, dass die Universität Bielefeld hier eine führende Rolle habe und dass das neue Laborgebäude entstehe. Und als langjähriges Mitglied des Wissenschaftsrates habe er die Hochschule hervorragend vertreten.
Landesweit, schätzt Simm, stelle etwa ein Drittel der Professoren einen Antrag auf Verlängerung des Dienstverhältnisses. In anderen Ländern ist das nicht erforderlich: So darf ein Wissenschaftler in den USA so lange arbeiten, wie er will. »Im Schnitt gehen die Professoren dort mit 70 in Pension.«

Artikel vom 07.01.2005