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Ansprüche gering und
Dankbarkeit sehr groß

Dr. Klaus Trillsch 14 Tage »Gastarbeiter« in Ruanda

Von Sabine Schulze
Bielefeld (WB). Jahrelang haben sich die Frauen mit ihrem Leiden gequält, haben akzeptiert, dass sie großteils von ihren Familien verstoßen wurden und dass ihnen in ihrer ruandischen Heimat niemand helfen konnte. Um so größer waren ihre Hoffnung und ihr Vertrauen, die sie in den weißen Arzt aus Bielefeld setzten. Und wirklich konnte Dr. Klaus Trillsch, langjähriger Oberarzt in der Gynäkologie des »Klösterchen«, die meisten von ihnen erfolgreich operieren.
Glückliche Momente: Dr. Klaus Trillsch (r.) und Dr. Uta Düll beim Kaiserschnitt in Ruanda.

14 Tage lang war Trillsch in Ruanda, hat dort am Centre de Santé in Gikonko, im Süden Ruandas gelegen, gearbeitet. »Leiterin des Gesundheitszentrums ist als einzige Ärztin Dr. Uta Düll«, erzählt Trillsch. Er kennt die Kollegin gut: Sie hat ihre chirurgische Ausbildung am Franziskus Hospital absolviert und dem Gynäkologen häufig bei nächtlichen Kaiserschnitten assistiert. »Sie wusste damals schon, dass sie in den Entwicklungsdienst gehen wollte«, erklärt Trillsch. Die Ärztin gehört dem St. Bonifatius-Säkularorden mit Sitz in Detmold an, diesem Orden untersteht auch das Hospital in Gikonko.
Den Kontakt zu den Kollegen in Bielefeld hat Uta Düll nie abreißen lassen: Regelmäßig besucht sie die Heimat, hält Vorträge - und erbittet Hilfen. So hat sie auch Trillsch gebeten, sie in Ruanda zu besuchen und dort komplizierte gynäkologische Operationen durchzuführen. »Uta Düll arbeitet in Ruanda als Neurologin, Internistin, Chirurgin und Gynäkologin, sie muss einfach alles machen. Aber diese Eingriffe waren einfach zu komplex«, erklärt Trillsch.
Es galt, die Frauen von einer Blasen-Scheidenfistel zu befreien. »Das ist etwas, was man in Deutschland praktisch nicht mehr sieht.« Die Fisteln sind die Folge von schweren, unglücklich verlaufenden Geburten, sie führen zur Inkontinenz und zur Diskriminierung der Frauen, die dann häufig von ihren Männern verlassen werden. 14 dieser Fisteln hat Trillsch in Ruanda operiert, er hat Gebärmutterentfernungen vorgenommen, Gebärmutterkrebs operiert, Düll bei Kaiserschnitten assistiert und einiges mehr - und das Ganze unter Bedingungen, die in Deutschland undenkbar wären.
»Drei Stunden am Tag gibt es Strom«, erzählt er. Infektionskrankheiten wie AIDS, Malaria oder Tuberkulose sind keine Ausnahme. Die Operationssäle und -bestecke sind zweckmäßig, aber alles andere als modern, die Arbeit nimmt kein Ende. So ist Uta Düll nicht nur für die ambulante Sprechstunde des Zentrums, das von bis zu 300 Patienten täglich aufgesucht wird, zuständig, sondern auch für das 60-Betten-Hospital verantwortlich. Sie erledigt den Schreibkram, die Visite und leitet die 30 Mitarbeiter an - von den Krankenschwestern über das Küchenpersonal bis hin zu den Wäscherinnen. »Sie arbeitet bald 24 Stunden«, sagt Trillsch bewundernd.
Für die Arbeit in Deutschland, meint seine Kollegin, sei sie nicht mehr geeignet - und Trillsch kann das nach nur 14 Tagen (für die er unbezahlten Urlaub genommen hat) nachvollziehen. »Vielfach teilen sich in Ruanda zwei Patienten ein Bett, stets werden sie begleitet von einem Angehörigen oder Nachbarn, der als privater Krankenpfleger fungiert. Die Ansprüche sind gering, die Dankbarkeit groß.«
»Auch wenn ich mir diese Zustände hier nicht wünsche, wäre es für viele sicher eien heilsame Erfahrung«, meint Trillsch. »Mir jedenfalls wurde wieder klar, wie dankbar ich sein darf, als Nachkriegskind in Deutschland geboren zu sein«, fügt der 58-Jährige hinzu.
Dabei sind Auslandseinsätze für den Gynäkologen nichts Neues: Vor 13 Jahren war er in Belgisch-Kongo, seit Jahren ist er regelmäßig in Bielefelds Partnerstadt Nowgorod. Auch auf die Arbeit in Ruanda hat er sich intensiv vorbereitet, ist »mit Gottvertrauen, Vorsicht und Malaria-Prophylaxe«, schmunzelt er, dorthin gereist. Dass die Menschen dort den Bürgerkrieg und Völkermord vergessen wollen, hat er beobachtet - und erfahren, dass eben doch noch kein Frieden ist: Bei einem Ausflug nach Goma in ein anderes St. Bonifatius-Haus hat er Schießereien erlebt. Sie seien dort an der Tagesordnung, erzählten die Schwestern beruhigend.
Für Klaus Trillsch steht jetzt schon fest, dass sein Einsatz in Ruanda kein einmaliges Gastspiel sein wird: 2006, hat er sich vorgenommen, wird er erneut nach Gikonko reisen, wird der Kollegin Düll zur Hand gehen und die komplizierten gynäkologischen Operationen selbst vornehmen. Und er wird damit sicher erneut Frauen dazu verhelfen, in ihren Familien wieder aufgenommen zu werden.

Artikel vom 05.01.2005