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»Wir haben doch uns, das ist wichtig«

Obdachlos: Benjamins Geschenkesuche beendet die Weihnachtsvorfreude der Familie Hedtke

Von Michael Diekmann
und Bernhard Pierel (Foto)
Bielefeld (WB). Donnerstag früh um acht Uhr konnte Benjamin (7) seine Vorfreude auf Weihnachten nicht mehr zügeln. Mit einem brennenden Teelicht ging er im Elternschlafzimmer auf Geschenkesuche. Das Ergebnis: Die Wohnung der Hedtkes an der Bleichstraße brannte aus (Bericht unten). Den Heiligabend erlebt die dreiköpfige Familie zwischen Krankenbett und einem Abendessen bei Freunden.

»Es sollte ein schöner Familientag werden«, sagt Vater Reinhard Hedtke (61). Im nüchternen Dreibettzimmer des Klinikums Bielefeld-Mitte erinnert sich der blasse Mann, während er immer wieder husten muss, in Bademantel und Pyjama an das Unglück am frühen Vormittag. Am ersten Schulferientag des Sohnes hatte Reinhard Hedtke den Kaffee aufgebrüht, während Ehefrau Michaela (38) gerade das Bett im Kinderzimmer machte. Benjamin nutzte die Gunst der Stunde zu einem »Überraschungsangriff« auf das Christkind, machte sich mit einem brennenden Teelicht auf ins Elternschlafzimmer. »Da waren sonst immer die Geschenke versteckt«, erzählt der Siebenjährige beklommen, der die Schulbank in der zweiten Klasse der Volkeningschule besucht.
»Wäre heute noch Schule gewesen, hätte es das ganze Unglück nicht gegeben«, macht sich Vater Reinhard Hedtke Gedanken. Andererseits hatte die ganze Familie den großen Weihnachtsschutzengel, ist sich Michaela Hedtke sicher: »Auch wenn wir unsere Habe verloren haben, so haben wir doch uns, sogar nahezu unverletzt. Das ist doch ein wirkliches Geschenk in einer solchen Situation.«
Reinhard Hedtke, der vor zwei Jahren nach einer schweren Krankheit seinen geliebten Koch-Beruf an den Nagel hängen musste, hatte die Vorbereitung der Weihnachtsgans ebenso geplant wie das Schmücken der großen Nordmanntanne. Gerade weil Ehefrau Michaela an beiden Weihnachtstagen im Altenheim der AWO in Baumheide in der Küche Dienst tun muss, sollten Donnerstag und Freitag solche Familientage werden. Stattdessen brannte bereits um kurz nach acht Uhr die Wohnung an der Bleichstraße.
Im Krankenzimmer sind ein paar Dominosteine einzige Weihnachtsboten. Eine Freundin hat erste Kleidung für Benjamin gebracht. Die Eltern besitzen nur noch, was sie beim Verlassen der Wohnung trugen. Eine erste Bleibe erhalten sie in einem Gästezimmer des Altenheims. Michaela Hedtkes Chef stellte es spontan zur Verfügung.
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Artikel vom 24.12.2004