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Papst ruft zu Dialog
und Versöhnung auf

Segen »Urbi et Orbi« - Weihnachtsbotschaften

Rom/Hamburg (dpa). Papst Johannes Paul II. hat in seiner Weihnachtsbotschaft zu größeren Anstrengungen für den Frieden sowie zu Dialog und Versöhnung aufgerufen. Besonders verwies er auf die Leiden der Menschen in Afrika, im Irak und im Nahen Osten.
Erstmals seit vier Jahren erlaubte es Israel der palästinensischen Führung, an der Mitternachtsmesse in der Geburtskirche Jesu in Bethlehem im Westjordanland teilzunehmen. Bei seiner Ankunft in Bethlehem appellierte der neue PLO-Chef Mahmud Abbas an Israel, Bereitschaft für eine Friedenslösung zu zeigen. In Deutschland forderten Kirchenführer mehr Gemeinsinn von den Bürgern. Insbesondere eine kinderfreundlichere Gesellschaft sei notwendig.
Die christliche Botschaft des Friedens solle helfen, dass »die vielen Formen grassierender Gewalt, die Ursache unbeschreiblicher Leiden sind, ein Ende finden«, sagte der Papst vor Zehntausenden Menschen, die trotz Regens am Samstag auf den Petersplatz gekommen waren. Dem traditionellen Segen »Urbi et Orbi« fügte der schwer kranke 84-Jährige unter großer Anstrengung Weihnachtsgrüße in 62 Sprachen hinzu, auch auf Deutsch. Seine Mitternachtsmesse am Heiligabend im Petersdom wurde in 72 Länder übertragen, darunter auch in mehrere islamische Länder wie etwa die Türkei und Indonesien.
Überschattet wurden die Feiern in Bethlehem von weiterem Blutvergießen. Im Westjordanland und im Gazastreifen kamen seit Freitagmorgen mindestens sechs Palästinenser ums Leben. Der lateinische Patriarch von Jerusalem, Michel Sabbah, unternahm seine traditionelle Weihnachtsprozession von Jerusalem nach Bethlehem und hielt an dem Geburtsort Jesu auch die Mitternachtsmesse.
Kardinal Lehmann rief die Deutschen auf, endlich zu einer kinderfreundlichen Gesellschaft zu werden. »Es ist eine Schande in unserer Gesellschaft, wie viele Kinder an den Grenzen der Armut oder darunter leben.« Zu einer kinderfreundlichen Politik gehöre auch eine Belohnung der Eltern, »die den Mut und die Kräfte aufbringen, zu Kindern ÝJaÜ zu sagen«. Der Kölner Erzbischof, Kardinal Joachim Meisner, beklagte, dass immer weniger Kinder geboren werden: »Wir feiern heute die Geburt des göttlichen Kindes, und unser Volk hat immer weniger Kinder!«
Eine bessere Integration von Ausländern verlangte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Berliner Bischof Wolfgang Huber. Vielen Menschen, die Zuflucht suchten, sollte zugestanden werden, hier dauerhaft zu leben. »Wer bleiben darf, gehört dazu. Eine Bleibe zu haben, heißt, zur Integration bereit zu sein.«
Für einen tabulosen Dialog mit Muslimen sprachen sich Huber und Lehmann in der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« aus. So müsse man fragen, wie der Islam zu den Menschenrechten und zum modernen freiheitlichen Staat stehe, und wie es um die Rechte anderer Religionen in islamisch dominierten Ländern bestellt sei, sagte Lehmann. Nach Ansicht Hubers müssen »Differenzen ausgehalten und ausgetragen werden.« Hier gebe es bei muslimischen Gruppen in Deutschland »beträchtliche Defizite«. Ein Schlüsselthema sei das Verhältnis von Religion und Gewalt. Gerade weil die christlichen Kirchen einen schmerzhaften Lernprozess durchlaufen hätten, müssten sie den Muslimen Klarheit abverlangen.

Artikel vom 27.12.2004