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Merkel hat sauberen Schlussstrich versäumt

Meyer beschert der CDU Glaubwürdigkeitsproblem

Von Ruppert Mayr
und Ulrich Scharlack
Berlin (dpa). Aufatmen bei den CDU-Wahlkämpfern in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Nach einem letzten Versuch am Montag warf CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer zwei Tage später das Handtuch. Die Rückendeckung von Parteichefin Angela Merkel hatte letztlich nichts genutzt.

Meyer musste seine Aussagen über die umstrittenen Zahlungen des Stromkonzerns RWE erneut korrigieren. Und die Landesverbände an Rhein und Ruhr sowie im hohen Norden hatten den Druck erhöht, um den angeschlagenen Meyer noch vor Weihnachten zu Konsequenzen zu zwingen.
Vor allem Jürgen Rüttgers, der CDU-Oppositionsführer im Düsseldorfer Landtag, muss befürchten, dass ihn die permanenten Querelen in der Partei erneut den Wahlsieg in Nordrhein-Westfalen kosten. In der NRW-CDU-Spitze heißt es: »Jetzt kann wieder Wahlkampf gemacht werden.«
Parteichefin Merkel hatte es am Montag versäumt, einen schnellen und sauberen Schlussstrich unter die Affäre Meyer zu ziehen. Dass sie ihrem Generalsekretär eine weitere Chance eingeräumt hat, mag zwar ehrenwert sein, hatte aber nicht zur Beruhigung der Partei beigetragen, wie es in der CDU hieß. Noch härter als die Rücktritte ihrer Stellvertreter in der Fraktion, Friedrich Merz (CDU/Finanzen) und Horst Seehofer (CSU/Gesundheit), trifft sie der Abgang Meyers schon allein wegen der Nähe in der Parteiarbeit.
SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter meint: »Ihr engster Vertrauter ist abgetreten. Es wird einsam um Merkel.« Ansonsten hielten sich die Sozialdemokraten mit Kommentaren weitgehend zurück. Denn auch sie wissen, dass Konzerne wie RWE ihre »Landschaftspflege« in allen politischen Lagern betreiben.
Merkel verteidigte die Entscheidung vom Montag: Sie sei zu diesem Zeitpunkt richtig gewesen.
Meyer und auch der Sozialpolitiker Hermann-Josef Arentz haben mit ihren umstrittenen Zahlungen des RWE-Konzerns der CDU ein erhebliches Glaubwürdigkeitsproblem beschert. Die jüngst von der Union losgetretene Wertedebatte, an der vor allem auch Meyer beteiligt war, wird jetzt vom politischen Gegner ins Lächerliche gezogen. »Scheinheilig« sei sie dem Land aufgezwungen worden, meinen die Grünen.
Als erste Personalentscheidung holt Partei- und Fraktionschefin Merkel den Parlamentarischen Geschäftsführer Volker Kauder in das Amt des Generalsekretärs. Er soll zunächst beide Ämter ausüben, wird aber dann eine große Lücke in der Fraktion hinterlassen. Merkel braucht den durchsetzungsfähigen Macher aus dem baden-württembergischen CDU- Landesverband zur Zeit dringlicher in der Partei. Merkel und Kauder, die in der Vergangenheit nicht immer einer Meinung waren, betonten ihre ausgezeichnete und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Als Nachfolgerin Kauders in der Fraktion ist die 37-jährige Hildegard Müller im Gespräch.
Nach einem Umfragehoch seit der Bundestagswahl 2002 und Wahlerfolgen in den Ländern ist Angela Merkel zum Ende des Jahres 2004 wieder auf dem Boden der Tatsachen gelandet. Sie geht angeschlagen und mit der Gewissheit ins neue Jahr, bis zur Bundestagswahl 2006 Kärrnerarbeit leisten zu müssen.

Artikel vom 23.12.2004