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Erst am Donnerstagabend war alles fertig. Da wusste Martin Papies, wie seine Predigt aussehen soll, die er am Heiligen Abend um 16.30 Uhr im Gottesdienst für Erwachsene und Jugendliche in der Erlöserkirche halten wird. Konfirmanden führen ein Krippenspiel auf. Und Papies will sich damit beschäftigen, wie Menschen ihre Rolle finden oder auch einmal wechseln können. So wie im Krippenspiel.
Da gebe es die zögernde und doch so mutige Maria. Da gebe es Josef, der verzweifelt sei, aber in schwieriger Situation durchhält. Oder die Hirten, die nicht so recht wissen, wie ihnen geschieht. Da lassen sich Parallelen zum Leben der Menschen ziehen, ist Papies überzeugt. Und in das »Rollenspiel« lasse sich auch die christliche Botschaft einbringen.
Der 16.30-Uhr-Gottesdienst am Heiligen Abend sei derjenige, der auch den Pfarrer ganz besonders fordere: »Es ist der, der am besten besucht ist.« Drangvolle Enge herrsche dann in der Kirche, weihnachtlicher Hochbetrieb.
Besonders gern mag Papies die Christvesper, die sich um 18 Uhr anschließt. Da seien die Erwartungen der Gottesdienstbesucher an die Predigt besonders hoch. »Es ist ein sehr ruhiger und besinnlicher Gottesdienst.«
Diesmal wird seine Kollegin Dorothea Prüßner-Darkow die Christvesper halten. »Wir wechseln einander ab.« Papies' erster Einsatz am Heiligen Abend ist dafür bereits um 15 Uhr im Familiengottesdienst mit kleinen Kindern. Diesen Gottesdienst schätzt der Gemeindepfarrer ebenfalls, auch wenn die kleinen Kirchgänger meist besonders aufgeregt und unruhig sind. Ein Weihnachtsspiel ist ebenfalls vorgesehen. Stolze Eltern und Großeltern wollen sehen, was die Kleinen einstudiert haben. Und für viele ist erst so richtig Weihnachten, wenn am Ende »O du fröhliche« angestimmt wird.
Papies gehört nicht zu denjenigen, die kritisieren, dass viele Christen nur zu Weihnachten oder anderen hohen Feiertagen in die Kirche strömen. »Schön, dass ihr da seid«, möchte er am liebsten allen entgegenrufen. »Ich weiß, dass die Menschen in einer besonders begründeten Erwartungshaltung kommen.«
In seinen vielen Dienstjahren hat Papies auch die andere, die traurige Seite des Festes kennengelernt. »Ich bin froh, dass ich diesmal in der Woche vor Weihnachten keine Beerdigung habe«, sagt er. Aber auch das gehört zu seinem Beruf. Da kann es passieren, dass noch am Heiligen Abend eine Bestattung stattfindet. »Das steckt man auch als Pfarrer nicht so ohne weiteres weg.« Man sehe die Freude der Menschen auf der einen Seite und erlebe Trauer und Verzweifelung auf der anderen.
Nach dem Ansturm am Heiligen Abend auf das backsteinrote Gotteshaus an der Gunststraße ist der Gottesdienstbesuch am ersten Feiertag meist sehr gering. »Der erste Weihnachtstag ist bei vielen der Familientag«, weiß Papies aus langjähriger Erfahrung. Am zweiten, dann wird der Besuch wieder spürbar stärker.
Die Predigtvorbereitung, die Gottesdienste, die Wünsche und Gedanken, die Papies den Menschen mit auf den Weg gibt, sind das eine. Das ganz private Weihnachtsfest ist das andere. Auch das erlebt der Pfarrer »wie jeder andere.« Im Hause Papies trifft sich die ganze Familie, es gibt eine Bescherung, traditionell wird ein Fondueessen ausgerichtet. Alles vielleicht ein bisschen später als in anderen Familien. Nach getaner Arbeit eben.

Artikel vom 24.12.2004