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Leitartikel
Erdbeben und Taufparty

Weihnachten
zeigte seine
extreme Seite


Von Dietmar Kemper
An hohen Festtagen graben sich Naturkatastrophen besonders tief ins Gedächtnis ein. Das Erdbeben in Südasien hat gestern das Bedürfnis der Menschen nach Harmonie brutal erschüttert. Weihnachten 2004 bleibt untrennbar verbunden mit dem Tod tausender Menschen und der Spur der Verwüstung, die die Erdstöße und Flutwellen hinterlassen haben. Ironie der Geschichte: Vor genau einem Jahr kamen bei einem Erdbeben im iranischen Bam 35 000 Menschen ums Leben.
Die jüngsten Ereignisse in Indonesien, Thailand, Indien und auf Sri Lanka verdrängten die alljährlichen Appelle des Papstes an Frieden in der Welt. Der Irak rückte in den Hintergrund. Auch die Mahnung des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, die Kinderarmut im Land müsse bekämpft werden, wirkt im neuen Licht merkwürdig blutleer. Wahre Armut herrscht in den vom Beben heimgesuchten Landstrichen, und dort wurde die in Deutschland in den Gottesdiensten vorgelesene Weihnachtsgeschichte beklemmende Realität. So wie Maria und Joseph damals, haben Familien heute keine Bleibe mehr, und Frauen müssen ihr Kind in notdürftigen Unterkünften gebären.
Was sind schon die Wetterkapriolen in Europa gegen das Inferno in Südasien? Spanien schneite ein, Deutschland musste auf eine weiße Weihnacht verzichten und bekam milde Temperaturen beschert. Dennoch ist die Betroffenheit über die von den Medien transportierten Schreckensbilder in Deutschland diesmal größer als sonst. Zum einen sind Thailand und Sri Lanka beliebte Touristenziele, die zur Flucht aus dem ungemütlichen Winterklima Mitteleuropas verleiten. Wie viele Urlauber von den dramatischen Ereignissen betroffen sind, steht noch nicht fest. Ihre Angehörigen jedenfalls werden zu Hause bangen.
Zum anderen haben die Angestellten der zahlreichen asiatischen Restaurants zwischen Flensburg und Garmisch Familienmitglieder und Freunde in den Krisengebieten. Die Sorge um sie machte es ihnen gestern schwer, sich auf die Bedienung der deutschen Gäste zu konzentrieren.
Knapp 100 Promis hatten David und Victoria Beckham zu einer denkwürdigen Veranstaltung in ihrem riesigen »Beckingham Palace« eingeladen. Bei der Taufparty für Romeo (2) und Brooklyn (5) schwor David seiner Frau ewige Treue und überreichte ihr einen Diamanten für 1,4 Millionen Euro. Damit nicht genug, erhielten alle Gäste einen persönlichen Diener und einen glitzernden Klunker als Weihnachtsgeschenk. Allein die Dekoration mit der eigens gebauten Privatkapelle ließen sich der Fußballer und seine Frau eine Million Euro kosten.
Weihnachten 2004 zeigte seine beiden extremsten Seiten: in Südasien die blanke Not nach der Naturkatastrophe und im »Beckingham Palace« die abstoßende Verschwendungssucht einer Promi-Gesellschaft, die in einer anderen Welt zu leben scheint.

Artikel vom 27.12.2004