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»Gute Gründe, vor Gericht zu gehen«

Württemberger Allee: Naturschützer sehen »schweren Verfahrensfehler«

Von Paul Siegfried Schulz
Sennestadt (pss). Liefert die Stadt in Sachen Bebauungsplan Württemberger Allee Umwelt- und Naturschutzverbänden eine Steilvorlage für den Weg vor die Gerichte? Die sehen es so. Allen voran der Naturschutzverband BUND (Freunde der Erde), wie dessen nordrhein-westfälischer Landesvorsitzender Klaus Brunsmeier vor geraumer Zeit in Sennestadt erklärte.

Es gebe sehr gute Gründe, aus ökologischer Sicht gegen diesen Bebauungsplan, sollte es zum Satzungsbeschluss kommen, gerichtlich vorzugehen. Und Professor Dr. Roland Sossinka, Bielefelder BUND-Kreisvorsitzender, sieht sogar einen »schweren Verfahrensfehler« im derzeitigen Planungsstand.
Brunsmeier führte weiter aus, dass sich die Rahmenbedingungen geändert hätten, dass der Flächenverbrauch in NRW das größte Problem sei, was auch die Landesregierung erkannt habe und dem entgegen wirke. Brunsmeier: „Vor diesem Hintergrund schadet das neue Baugebiet mit seinem Verbrauch an Wald dem Allgemeinwohl.“
Diese Aussagen erklären vielleicht auch die erstaunliche Zufriedenheit des Sennestädter Bündnisgrünen Dr. Jörg van Norden, als der auf seine wiederholte Nachfrage, wann denn endlich die Umweltverträglichkeitsstudie vorgelegt werde, aus fachmännischem Mund erfuhr, dass es eine solche überhaupt nicht gebe.
Für das Baugebiet Württemberger Allee sei nach neuem Recht ein Umweltbericht gefertigt worden, der wiederum in die Beschlussvorlage zum Aufstellungsbeschluss eingearbeitet worden sei, führte Ulrich Fidler, im Bauamt zuständig für die Bauleitplanung im Bielefelder Süden, aus. Diesen Aufstellungsbeschluss hatten Sennestadts Bezirksvertreter gegen die Stimme van Nordens am 6. September gefasst. »Das ist ja wunderbar«, kommentierte van Norden diese Aussage.
Dieses »wunderbar« bezieht sich ganz offensichtlich auf die Tatsache, dass der BUND diesen Umweltbericht als gänzlich ungenügend und als »Fehler im Verfahren« ansieht, wie Professor Sossinka deutlich macht. Er sieht den schweren Verfahrensfehler in der Tatsache begründet, dass die Untersuchung schützenswerter Arten im Waldgebiet entlang der so genannten »Demarkationslinie« zum Wasserwerk 1 nicht wie gesetzlich vorgeschrieben durchgeführt wurde. Weder der Vogelbestand noch der der geschützten Fledermäuse seien ausreichend berücksichtigt worden.
Und Claudia Quirini, Vorsitzende des Naturwissenschaftlichen Vereins Bielefeld, ergänzt: »Es gab keine Quartiersbestimmung, keine wissenschaftliche Untersuchung.« Somit verstoße der Bebauungsplan in seiner jetzigen Vorlage gegen Bestimmungen des Europäischen Artenschutzrechtes und gegen das Artenschutzrecht nach dem Bundesnaturschutzgesetz. Was Klaus Brunsmeier zu der Aussage bewegt, dass notfalls die Europäische Union sich damit befassen und sich ein Bild vor Ort machen müsse.
Und was die beteiligten Umwelt- und Naturschutzverbände sowie die Bürgerinitiative für Senne-, Wald und Trinkwassererhalt noch in Rage bringt, ist, dass die Stadt ein Angebot der Detmolder Bezirksregierung abgelehnt haben soll, den Bebauungsplan Württemberger Allee »im Tausch« gegen das Schillingsgelände aufzugeben. Zugesagt worden sei eine schnelle und zügige Bearbeitung der Industriebrache, die die Sennestadt GmbH offenbar kaufen will.
Hart geht auch Michael Blaschke, Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins »pro grün« Bielefeld, mit dem Bebauungsplan ins Gericht. Mit ihm werde ein weiteres Stück Grün in Bielefeld zerstört. Und genau dieses Grün sei es, was Bielefeld auszeichne. Es sei das »Tafelsilber«“ der Stadt, die ansonsten über keine weiteren Anziehungspunkte verfüge. Blaschke: »Wir haben keinen Bodensee, keinen Nordseestrand und keine Alpen. Es ist einzig das viele Grün, das Leute dazu bewegt, Bielefeld zu besuchen.« Dieses Tafelsilber dürfe man nicht verfrühstücken. Blaschke, der Ende der 90-er Jahre den Bielefelder Umweltpreis erhalten hatte, kündigte an, diesen zurückzugeben, wenn der Bebauungsplan als Satzung beschlossen wird.
Was sicherlich noch eine ganze Weile dauern dürfte. Denn das Bauamt hat jede Menge zu tun, die Einwendungen, die nach der Offenlegung eingegangen sind, abzuarbeiten. Die gleichen sich zwar manchmal so sehr, als habe man voneinander abgeschrieben, führte Fidler an. Dennoch müsse jede Einwendung genau geprüft werden, ob es nicht doch unterschiedliche Nuancen gebe. Einen Termin, wann der Satzungsbeschluss der Bezirksvertretung, dem Umwelt- und Stadtentwicklungsausschuss und letztlich dem Rat vorgelegt wird, nannte er nicht.

Artikel vom 23.12.2004