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»Gelehrt und gelernt«

Erschöpft, aber zufrieden: Klinsmann sucht Abstand

Frankfurt/München (dpa). Landung nach einer langen Dienstreise: Um halb sechs am frühen Mittwochmorgen war die zehntägige Asien-Tortur für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft beendet - nicht aber für den neuen Bundestrainer Jürgen Klinsmann.

Zwischen dem elfstündigen Flug von Bangkok nach Frankfurt und der ebenso langen Weiterreise in seine kalifornische Wahlheimat bei Los Angeles nutzte der Bundestrainer die Wartezeit zu einer Bilanz des Fernost-Trips und seiner fünfmonatigen Amtszeit. Und die fiel rundum positiv aus. »Wir haben viel gelehrt und viel gelernt. Für mich war diese Zeit mit der neuen Nationalmannschaft eine tolle Lebenserfahrung«, sagte Klinsmann nach der Ankunft auf Rhein-Main-Flughafen.
Die Tingeltour durch Japan, Südkorea und Thailand brachte Klinsmann die Gewissheit, auf dem richtigen Weg zu sein. Er war der Vielflieger, war mit An- und Abreise insgesamt 50 Stunden in der Luft. »Ich hatte Wünsche, wie sich das Team entwickeln könnte. Und das hat sich so verwirklicht. Ich bin sehr zufrieden«, und meinte damit in erster Linie das »Innenleben« der neuen Mannschaft.
»Da ist ein Fundament von beachtlicher Stärke«, sagte der Coach, der immer mehr Gefallen an der Herausforderung findet, die DFB-Auswahl für die Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Land zu präparieren: »Diese Aufgabe erfüllt mich mit unheimlich viel Stolz und Freude. Sie gibt uns eine ungeheure Motivation, aber es ist auch eine ungeheure Portion Verantwortung.«
Allerdings hat Klinsmann in den letzten Tagen und Wochen auch erkennen müssen, dass ihn die Aufgabe mehr in Anspruch nimmt, als er es zu Beginn gedacht hatte. »Es ist ein Job, der übernimmt dich, der fordert dich rund um die Uhr. Ob in Japan, Südkorea, Thailand oder zu Hause in Kalifornien. Man ist mit dem Kopf ständig dabei«, gestand Klinsmann.
Vorgänger Rudi Völler habe Recht gehabt mit seiner Vorhersage: »Er hatte mir prophezeit, dass mich dieser Job vereinnahmen wird. Das ist so, selbst wenn ich daheim bin. Da erinnert mich meine Frau dann daran: ÝHey, jetzt könntest Du mal abschalten.Ü«
Dazu hat er jetzt erst einmal in der wärmenden Sonne an der amerikanischen Westküste Gelegenheit, wo er Heiligabend mit der Familie zunächst Weihnachten in deutscher Tradition und einen Tag später auf Amerikanisch feiert. Seinen ersten Wohnsitz in den USA will er auch weiterhin behalten und von dort aus die Geschäfte rund um das Nationalteam führen. »Diese Distanz ist schon wichtig. Sie tut mir gut, nicht nur um die Batterien aufzuladen, sondern auch, um die Dinge mit einem gewissen Abstand zu beobachten«, erläuterte Klinsmann und hat inzwischen festgestellt: »Der Abstand hilft mir bei der Arbeit.«

Artikel vom 23.12.2004