28.12.2004 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 



Ich wusste schon in jener Zeit: Nur bei Hofe und unter den Augen des allermächtigsten Königs konnte ich mit meinem Können alles gewinnen. Meine Malerei würde das Mittel sein für Aufstieg, Ruhm, Reichtum und Glanz - für mich und meine Familie. Ich weiß, dass ich mit meinem Können Menschen begeistern kann, weshalb ich die vornehmste Anwendung meines Talents gesucht habe. Ich habe die günstigen Konstellationen am teatro de la grandezza meines Königs bis zum heutigen Tage für mich genutzt, auch wenn ich noch nicht dort angelangt bin, wo ich mich selbst hinwünsche. Doch bei allem Erfolg, es ist ein Weg der Hindernisse und Demütigungen, im großen Hofstaat eines Königs einen Rang zu erwerben.
Ich komme aus einer nicht begüterten, aber angesehenen Familie; meine Vorfahren waren immer schon Hidalgos. Und obwohl Gott mich durch meine Geburt zu einem Edelmann gemacht hat, musste ich erfahren, wie schwierig und aufreibend die Stufen der Anerkennung zu erklimmen sind. Denn erst nach vollen drei Jahren stieg ich vom Pintor del Rey zum Platzanweiser der Kammer auf. Das brachte mir zwar weitere vierhundertvierzig Ducados ein. Auch wurde ich zum Aufseher einer frommen Stiftung für die Kirche, aus welcher mir weitere dreihundert Ducados pro Jahr zuwuchsen. Gleichwohl verwies mich das Hofzeremoniell, der wahre Gradmesser für Einfluss und Macht, auf einen unbedeutenden unteren Platz an der Tafel meines Souveräns. Doch mit meinem Einkommen - oder genauer gesagt: mit der vertraglichen Zusicherung von Bezahlungen - ging es aufwärts. Ich will daher nicht unerwähnt lassen, dass das Haus in der Calle de la Concepción, das mir zur gleichen Zeit gestellt wurde, eine Vergünstigung von mindestens fünfhundert Ducados im Jahr bedeutete.
Auf die nächste Anerkennung habe ich indessen ganze zehn Jahre warten müssen. Erst im Jahre 1636 legte ich meinen Amtseid als Ayuda de Guardarropa, als Gehilfe der Garderobe, ab. Diese Position bedeutete zwar nur einige Stufen mehr auf der breiten, glatten Palasttreppe des Ansehens, doch nun hatte ich einen Zipfel der Ducados-Robe, die mein Regent hinter sich herschleppt, zu fassen bekommen. Wenn ich mich entsinne, waren es ab 1640 immerhin eintausendfünfhundertfünfzig Ducados im Jahr, die mir zugesprochen wurden. Weitere fünfhundert Ducados standen mir für Aufwendungen des Hauses zu, sowie das Anrecht auf eine kostenlose Behandlung durch die Hofärzte - ein Vorzug, den ich, wenn auch selten, immer gern in Anspruch genommen habe.
Dank sei der Jungfrau Maria, dass sie meine Knochen und Zähne vor Unfällen bewahrt hat und ich mich niemals in die Hände der Bader und Quacksalber begeben musste! Bei der Entfernung meiner Reisen - die weiteste hat mich bisher in die heilige Stadt Rom geführt - ist das ein großes Geschenk. Offensichtlich hat die Mutter Gottes meine Bußübungen angenommen, meine Pilgerfahrt nach Loreto und die kostbaren Kerzen, die ich zur Aufstellung in ihrer Kirche der Virgen de Atocha gestiftet habe É
Höher als die Bezahlung schätze ich mein Privileg ein, dass ich der einzige Maler bin, der den allerchristlichsten Herrscher und seine Familie wie ein Vertrauter betrachten darf, um die edlen Gesichtszüge in meinen Porträts für die Nachwelt zu bewahren. Und aus demselben Grund wenden sich manche seiner erwählten Gäste an mich, wie vor Jahren der Prince of Wales, der jetzige König von England. Dessen Bildnis mir zwar nur einhundert Escudos einbrachte, aber die Genugtuung, den größten Kenner der Malerei als Auftraggeber gehabt zu haben.
Die für mich ehrenvollste Beförderung erhielt ich im Jahre 1642. Ich wurde zum Ayuda de Cámera ernannt, zum Kammerherrn des Schlafgemachs. Im Zeremoniell der Hofbeamten war ich damit auf die Nummer dreiundfünfzig vorgerückt. Welches großes Glück hatte ich damit, denn ich verdankte meine Protektion keinem Geringeren als dem damals noch allmächtigen ersten Minister, dem Privado des Königs, Don Gaspar de Guzmán, Herzog von Olivares, einem der Großen aus meiner Heimat Sevilla. Er war ein in vieler Hinsicht ungewöhnlicher Mann. Er rühmte sich zu Recht, ein Schüler der Universität Salamanca zu sein; denn er selbst dichtete und scharte gelehrte Leute um sich. Hatte er nicht die Theateraufführungen und Vortragswettbewerbe im Theatersaal des Alcázar eingerichtet und unseren König für die Aufführungen auf dem Teich des Buen Retiro begeistert, zu denen dieser selbst Texte schrieb und Lope de Vega und Calderón de la Barca ihre glänzendsten Einfälle beitrugen? Er, der Conde-Duque, war es, der den König für die Planung zum Ruhmessaal von Buen Retiro gewonnen hatte, dem Saal der Reiche, von meinem Sonnenplatz hier nur wenige Schritte entfernt.
Er hatte die Ideen für die zwölf Riesenbilder, die ich mir mit den besten meiner Malerkollegen aufgeteilt habe, um Spaniens Siege in der alten und neuen Welt allen Besuchern der spanischen Krone vor Augen zu stellen. Für dieses Projekt habe ich mein Gemälde der Übergabe der Festung Breda geschaffen, das mich so viele Monate von allen anderen Tätigkeiten fern gehalten hat.
Was hatte Olivares mir gesagt? »Seien Sie ein General der Malerei, und lassen Sie malen! Wenn Sie alles selber machen, werden wir nicht fertig!« Anschließend klopfte er mir wohlwollend auf die Schulter und setzte hinzu: »Es reicht, wenn Sie ein Bild selbst ausführen und den andern vormachen, wie es geht.«
Er hatte wirklich Recht damit. Die anderen hatten einen Anspruch auf Beteiligung an einem solchen Staatsauftrag, weshalb ich sie auch bei den großen Schlachtenszenen wie auch den Reiterbildern der Könige und Königinnen einbezogen habe. Es war ein Fest für die Augen: Die besten Leistungen der spanischen Malerei prunken seitdem riesengroß an den hellbeleuchteten Wänden. Kein Wunder, dass Zurbaràn für seine Malergesellen ein dreitägiges Saufgelage veranstaltet hat, als er den ersten Teil seiner Bezahlung bekam! Wir waren alle rechtzeitig fertig geworden, und die Krone Spaniens darf auf immer stolz sein auf diese prächtige Malerei! Dass der Unterschied auffällt zwischen dem alten Hofmaler Carducho und dem jüngeren Hofmaler Velázquez, das ist nicht zu meinen Ungunsten.
Mein größtes Glück sehe ich darin, dass Olivares meine Vereidigung - es war seine letzte Amtshandlung am Hofe - gerade noch durchsetzen konnte, denn nur elf Tage später fiel er aus der Gnade des Königs. Die aufsässigen Katalanen, die heimtückischen Franzosen und die treulosen Holländer, die unberechenbaren Portugiesen und eine unzuverlässige Armee haben seine Energie und seinen Eifer zunichte gemacht. Und das tapfere Kastilien allein konnte die Schicksale des großen Reiches nicht wenden. Woher sollten die Staatskassen wieder gefüllt werden und zuverlässige Soldaten und Verwalter kommen, nachdem unsere tüchtigsten Edelleute über die ganze Welt - zwischen Nord- und Südamerika im Westen und den Philippinen im Osten - verteilt waren? Die Last war größer als die unbändige Kraft, die dieser Herkules des spanischen Reiches besaß. Ja, ein Herkules war er wirklich, so wie Zurbaràns Bilder im Saal der Reiche das ausdrücken!
In seiner imposanten Hässlichkeit war Olivares ein großartiger Mann, wie sie unser Schöpfer nur selten auf die Erde stellt. Ich lasse nichts auf ihn kommen. Er war mein Gönner, dessen Freundschaft mich ihm über seinen Tod hinaus verpflichtet. Ich habe ihn in mehreren meiner prächtigsten Porträts festgehalten. Zuletzt wollte er von mir ein Reiterbild, so groß und so farbenfreudig, wie es Rubens vom König zu Pferde gemalt hat, aber, wie er mir mit einem Augenzwinkern signalisierte, »so lebensecht, wie es nur aus VelázquezÕ Pinsel fließt!«
Er gab mir damit seine Sympathie zu verstehen und spornte meinen Ehrgeiz an. Hatte er doch mitbekommen, wie sehr mich vor Jahren die Abhängung meines hochgelobten Reiterbildes des Königs geschmerzt hatte, das im Salon Nuevo unseres Schlosses der bunten Malerei von RubensÕ ganz ähnlichem Reiterbildnis Platz machen musste.
Das Format, die Komposition und selbst die Gesichtszüge des Königs waren in RubensÕ Gemälde aus meiner Arbeit übernommen. Nur war alles lockerer gemalt und bewegter und durch einige schwebende Frauengestalten im Wolkenhimmel bereichert. Rubens trat eben als Edelmann und Gesandter der Erzherzogin in Brüssel auf, und mir blieb nur die Rolle des begabten Handwerkers, der dem großen Geist auch noch das Atelier zur Verfügung stellen muss. So ist es in dieser Welt. Aber noch ist nicht aller Tage Abend, und RubensÕ Karriere führt mir nur in aller Deutlichkeit vor, wie ein Maler die beim Porträtsitzen gewonnenen Kontakte zur Förderung seines Aufstiegs nutzen kann. Er hat den Ritterschlag durch meinen König auch nicht geschenkt bekommen, und seine diplomatische Mission wurde ihm nur gegen Widerstände zugestanden. Als Berater für Kunsterwerbungen und als Unterhändler an anderen Fürstenhöfen kann ich eines Tages vielleicht auch mein Ansehen heben.
Es ist bestimmt nicht die Menge meiner Bilder, auch nicht deren Qualität, so wie ich sie verstehe, was meinen Ruhm ausmacht, sondern es sind die ehrenhaften Aufträge und die künstlerische Anerkennung, die immer vom gesellschaftlichen Rang mitbestimmt werden.
So hätte der Conde-Duque am liebsten ein Bronzedenkmal zu Pferde von sich aufstellen lassen wie das des Königs, für das Martínez Montañés nach meinen Entwürfen und in meiner Werkstatt den Kopf modellierte und dessen Guss bei Tacca in Florenz stattfinden hätte sollen. Welch ein Erfolg wäre das gewesen! Aber mein Gönner Olivares musste sich mit einer großen Leinwand zufrieden geben. Doch ich war es, der ihm sein gemaltes Denkmal setzen sollte!
(wird fortgesetzt)

Artikel vom 28.12.2004